Bestimmt kennt der eine oder andere von Euch Ulrich Wickert. Der den meisten als Tagesthemensprecher bekannte Fernsehjournalist ist in meinen Augen ein begnadeter Autor. „Und Gott schuf Paris“ hat meine Sicht auf die Franzosen verändert. „Der Ehrliche ist der Dumme: Über den Verlust der Werte“ beschäftigt mich auch 20 Jahre nach dem Lesen manchmal noch:

Vor einigen Monaten riss meine Tochter an der Schule die Autotür so weit auf, dass es Kratzer im Lack des benachbarten Fahrzeugs gab. Ehrlich (oder dumm?) wie ich bin, wartete ich brav neben dem beschädigten Auto, bis die Fahrerin zu ihm zurück kam und schilderte das Malheur. Sie brachte den Wagen in die Werkstatt und präsentierte mir eine Rechnung von knapp 700 Euro. Stocksauer bezahlte ich und verabschiedete einige für die nächsten Monate geplanten Ausgaben ins Reich der Träume, denn ich wüsste nicht, wie ich mein Gefühl beweisen sollte, dass sie mich abgezockt hat.

Anfang dieser Woche kehrte ich zu meinem Auto zurück und fand die eindeutigen Spuren eines Parkremplers am Heck vor. Bei mir meldete sich natürlich (!) kein Verursacher, die mit anderen Aufgaben ziemlich ausgepowerte Polizei geht solchen Mini-Fahrerflucht-Delikten aus meiner Empfindung heraus eher halbherzig nach.

Wickert hat also wohl Recht: Der Ehrliche ist der Dumme!

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Der Fundanhänger an meiner Fundsache

Rückblende in den vergangenen Sommer: Abends spät bei einsetzendem Regen brachte ich eine Bestellung zur Packstation und sah einen offenen Karton am Fuß der Packstation stehen. Kein Mensch war weit und breit, der Regen wurde stärker. Ich nahm also den Karton ins Auto und sah, dass es sich um eine Süßigkeitenlieferung von World of Sweets handelte, aus der ein paar Sachen vom Lieferschein fehlten. Auf der Rechnung war auch die Postanschrift zu finden. Die Empfängerin wohnte nicht weit entfernt, also fuhr ich kurz vorbei. Auf mein Klingeln öffnete niemand, also warf ich einen Zettel mit meiner Anschrift und Telefonnummer in den Kasten. Nach 2 Tagen Warten bat ich den Versender, die Kundin über meinen Fund zu informieren. Ihm war es relativ gleichgültig, weil die Ware schon bezahlt war, er machte es aber trotzdem. Nach ein paar weiteren Tagen Warterei brachte ich den Karton zum städtischen Fundamt.

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Süß-salziger Fund

Nun wurde ich über den Ablauf der Aufbewahrungszeit informiert und durfte mir den Fund abholen. Ich bin nun die rechtmäßige Eigentümerin von Süßigkeiten im Wert von etwa 45 Euro – die ich leider alle gar nicht mag. Isst von euch jemand gerne Vollmilchschokolade mit Salzlakritzfüllung? Oder Oreo mit Erdnussbutterfüllung? Oder Corny Erdnuss? Oder Kaugummi aus der Tube? Oder Snickers white? Dann kommt vorbei und holt euch euren Teil meines unerwarteten Schatzes ab! Mitunter ist das MHD schon erreicht, aber das alles wurde im Fundkeller kühl und trocken gelagert.

Hierzu fällt mir eher der Spruch ein: Ehrlich währt am längsten!

Dieser Fund war ein Lehrstück für meine Tochter, wie mit Fundsachen korrekt verfahren wird. Sie macht sich grade voller Genuss über die fünf fast meterlangen Weingummiwürmer her, die auch in dem Paket waren. Wir haben beide ein gutes Gefühl. Ob wir das auch gehabt hätten, wenn wir vor über einem halben Jahr den Fund einfach einbehalten hätten? Nein, bestimmt nicht.

Ich merke nämlich deutlich, wie unwohl ich mich fühle, wenn ich unehrlich bin. Das läuft mir so lange nach, bis ich die Situation bereinige. So hatte mir z.B. vorigen Monat im Bauhaus die Kassiererin einen 10 Euro Schein zurück gegeben, obwohl es nur ein 5 Euro Schein hätte sein dürfen. Mir fiel es erst auf, als ich das Wechselgeld im Auto in die Geldbörse stecken wollte und alle schon angeschnallten Mädels waren weinerlich. Also fuhr ich sie erst nach Hause. Es ließ mir aber keine Ruhe und ich brachte den falschen Schein sofort mir dem Rad zurück. Das wohlig-warme Gefühl, korrekt gehandelt zu haben war mir mehr wert als 5 Euro. Auch wenn ich weiß, dass andere meine Ehrlichkeit ausnutzen und Moralvorstellungen in der heutigen Gesellschaft nicht mehr hoch im Kurs stehen. Was andere denken ist mir dabei egal. Ich habe ein Bild von mir selbst, das ich nicht ramponieren will.

Also: ihr solltet nicht so lange darüber nachdenken, wie ihr bei anderen ankommt – sondern ganz ehrlich sagen, welche meiner Süßigkeiten ihr von mir haben wollt. (@Silke: im Päckchen mit den CDs ist noch etwas Platz…)

7 thoughts on “Ist der Ehrliche wirklich der Dumme?

  1. Den Schaden hätte aber doch Deine Haftpflicht-Versicherung zahlen müssen, oder?
    Zu den ungeliebten Süßigkeiten: Ich habe die Süßigkeiten, die meine Mutter beim Karnevalszug an sich gerafft hat, an die Penner vom Zülpicher Platz verteilt. Selten so strahlende Augen gesehen. Es lohnt sich.

    1. Ich gebe unsere Karnevalssüßigkeiten gerne ins Asylcafé oder in den FaitTeiler im Gertrudenhof. Die kölner Obdachlosen habe ich grade erst mit funkelnagelneuen Thermosflaschen glücklich gemacht.

      Oh ja, die Versicherung hätte gezahlt, aber dann wäre ich hochgestuft worden und das wäre über die Jahre gerechnet teurer geworden.

  2. jaaaa

    das kenne ich alles…aber wir werden uns nicht (mehr) ändern…und das ist gut so!!!

    Alles was Lakritze beinhaltet kannste reinstopfen, im Zweifelsfall gehts in Büro, bei VW essen sie alles…..

  3. nicht nur der ehrliche ist der dumme, sondern leider oft jeder, der hilft:
    Da allgemein bekannt ist, das wir im Tierschutz tätig sind,werden aufgefundene Tiere oft bei uns abgegeben, oder wir direkt dazu geholt.versteht mich nicht falsch,wir machen das auch gerne, und wären ja auch froh um jede Hilfe, wenn eines unserer Tiere weggelaufen wäre. im vorletzten Sommer rief man uns zu einer kleinen mischlingshuendin, die sich offensichtlich im maisfeld verlaufen hatte.nach der obligatorischen Meldung bei den Behörden und einem 30minuetigem Gespräch mit Tasso stellte sich heraus, das die Besitzer verzogen waren und die Hündin nicht angemeldet war.wir klapperten also die ehemalige Nachbarschaft ab,und erhielten so die Anschrift. nach 4stunden konnten wir die kleine wieder über geben.etwa 6 Wochen später traf ich die beiden beim gassigehen und musste mir von der dame schimpftiraden anhören, weil sie -da die kleine nicht angemeldet war-ein Bußgeld auferlegt bekommen hatte.wer hilft ist auch der dumme,aber das wird uns auch in Zukunft nicht davon abhalten zu helfen.

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