KLeiderständer

Ich bin ein „Alträucher“, wie man im Rheinland so schön sagt. Ich verwahre sehr viele Sachen. Jaja, in der Theorie kenne ich alle Management-Tricks, Feng Shui-Regeln und Magic Cleaning-Ideen, mit denen man entrümpeln kann. In der Praxis funktionieren sie bei mir nicht. Ich habe es früher dann einfach wieder auf sich beruhen lassen.

Das ging aber nur so lange gut, wie ich allein lebte. Seit ich Familie habe, merke ich, dass ich aussortieren MUSS. Täglich füllt sich das Haus mit zu klein gewordener Kinderkleidung, dem Papa beim Einkaufen abgeschwatzten (und dann doch nie gelesenen) Kinderzeitschriften und Erinnerungsstücken. Sie alle bilden zusammen mit Kleidung, die mir nach den zwei Schwangerschaften nie wieder passen wird, seit Jahren ungelesenen Büchern und anderen Staubfängern ein Gespinst aus Forderungen, denen ich mich nicht länger ausgesetzt sehen will. Jedes Teil sagt: „benutz mich!“, „lies mich!“, „pfleg mich!“ oder „sortier mich!“.

Die einzig wirkungsvolle Methode für mich ist mein Kistenspiel. Ich habe mir in der Silvesternacht vorgenommen, jeden Tag den Inhalt einer Kiste zu sichten. Es muss nicht unbedingt eine Kiste sein, manchmal ist es auch eine Tasche, ein Karton, eine Schublade, ein Regalfach, die Gartenhütte, die  SandKISTE oder das Auto.

Auslöser war der Song „Leichtes Gepäck“ von Silbermond. Wie wahr! Es reist sich besser mit leichtem Gepäck. Auf Recherchetouren komme ich mit dem Inhalt eines Rucksacks wochenlang aus, ohne etwas zu vermissen. Warum sammelt sich also zuhause so viel „Prüll“ an?

Seither sortiere ich stur jeden Tag meinen Krams, meine Mails, mein Leben.

Unendlich viel habe ich schon aussortiert. An einem Tag bin ich dreimal mit leeren Kartons zum Bauhof gefahren. Ich hatte die Dinger verwahrt, weil ich ja irgendwann einmal damit irgendetwas an irgendjemanden verschicken könnte.

Ich habe in der ersten Schwangerschaft ein 5000-Teile-Puzzle begonnen. Das habe ich nie zu Ende gebracht. Gestern sah ich, wie Cari auf einem Teil dieses Puzzles herum kaute, das ich vor vier Jahren wohl nicht ordentlich genug weggeräumt hatte. Also: weg damit! Und mit der Illusion, in den nächsten 12 Jahren ein Puzzle mit mehr als 100 Teilen zu Gesicht zu bekommen.

Ungelesene Bücher sind mir inzwischen eher eine Belastung als eine Freude, an manchen Tagen höre ich sie förmlich nach mir rufen, ich solle sie nicht nur kaufen, sondern auch lesen. Ungezählte Bücher sind seither bei Bookcrossing, Booklooker, Freunden, im Bücherregal bei Ikea und in unserer Mitnehmkiste gelandet.

Die Mitnehmkiste ist ohnehin klasse. Seit etwa vier Jahren haben meine Mutter und ich eine Kiste in meinem Flur stehen, in die wir alles werfen, was wir nicht mehr wollen, was aber „eigentlich“ zu schade zum wegwerfen ist: Kinderspielzeug, Kölschgläser, Bücher, Schlüsselanhänger, Aschenbecher, Werbekugelschreiber, Blumentöpfe und vieles mehr. Durchschnittlich 3-4 Tage im Monat steht sie morgens prall gefüllt in unserer Einfahrt und ist abends leer. Wir kennen die Menschen nicht, die etwas herausnehmen. Aber es ist ein ganz gemischtes Publikum, jeder wählt sorgfältig nur ein oder zwei Dinge, manchmal wird beim Weggehen gewunken oder gedankt, wenn ich zufällig im Hof oder Vorgarten bin.

Ein Ende meines Kistenspiels ist nicht in Sicht. Regale, Kisten und Schubladen füllen sich immer wieder neu mit unsinnigen Geschenken, unüberlegten Einkäufen und anderen Überflüssigkeiten. Umso glücklicher bin ich darüber, dass mir diese tägliche Kiste so zur Routine geworden ist, dass sie mich gar nicht mehr belastet, sondern Teil meines Alltags geworden ist.

Freude macht mir das Ganze außer dem Ordnungseffekt auch noch. Ich finde Dinge, an die ich ewig nicht mehr gedacht habe. Mein lange verloren geglaubtes Adressheft fand sich zwischen den Pappbilderbüchern meiner  Töchter.  Hinter zwei Umzugskartons tauchte ein Kleiderständer auf, den ich nun bei Flohmärkten für Kleidchen und Jacken meiner Mäuse mitnehme. Der Knaller letzte Woche: Das Kreuz, das mein Vater zu seiner ersten Heilgen Kommunion erhielt tauchte in einem Karton mit uralten Dias auf. Hach, ich liebe mein Kistenspiel!

3 thoughts on “Mein Kistenspiel

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