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Nele und Cari halfen Oma und mir gestern im Garten. Vor Ostern waren wir im Gartencenter, nun wollte einiges an Pflanzen und Samen in den Boden. Schon seit 8 Uhr waren wir fleißig.

Das Kaninchen bekam ein frisches Bettchen, die Hängematte hängt wieder draußen, wir beluden das Auto für die Grünsammelstelle, bekamen dort je einen Lutscher geschenkt und etliche verschiedene Sämereien verschwanden im Boden. Im Vorgarten wurde eine dicke Hummel von einer Nachbarin darüber belehrt, dass sie eigentlich gar nicht fliegen kann. Wer hat eigentlich diesen Quatsch in die Welt gesetzt?

Es war aber auch ein wunderschöner Tag, um sich um die Wildwiesenblumen zu kümmern.

Halt! Cari, Stopp! Nicht essen! Das ist keine Schokokugel, sondern eine Seedbomb!

Wie ihr seht, sind diese Samenbomben wirklich in aller Munde!

Wir haben in der letzten Zeit von den verschiedensten Stellen Seedbombs und Insektenblumensamen geschenkt bekommen:

Allerorts im Internet finden sich Knet-, Back- und Wurfanleitungen für die – eigentlich – bombige Idee, unsere Welt wieder etwas bunter und blumiger zu machen, damit sich Bienen und andere flattrige Nützlinge wieder wohler fühlen.

Der Ausgangspunkt ist klar: Monokulturen und andere menschliche Fehltritte führen zum Insektensterben. Selbst in Kleinsiedlungen am Stadtrand sieht man kaum noch Blumen, sondern sterile Gärten des Grauens.

Mir fällt es sogar beim Autofahren auf: Könnt ihr euch noch erinnern, wie viele tote Insekten in unserer Kindheit nach jeder Fahrt im Sommerhalbjahr an der Windschutzscheibe und am Kühlergrill klebten? Heutzutage geht doch jeder pleite, der spezielles Sommer-Scheibenreinigerkonzentrat mit Schutz gegen Insektenverschmutzung auf den Markt bringen will!

So sahen die Felder in meiner Kindheit aus.

Zum Glück gibt es unter Landwirten, Umweltschützern und Outdoorern inzwischen eine Gegenbewegung. Bei vielen Wanderungen im Sommer kann ich mich an kunterbunten Streifen zwischen Acker und Wirtschaftsweg freuen, den der Bauer stehen gelassen hat. Manch eine ehemalige Dreckecke auf unserer Hunderunde ist inzwischen zur Schmetterlingswiese mutiert, weil wahrscheinlich ein Samenbombenleger aktiv war.

Ich finde es klasse, wenn jemand mit einer Samenbombe die Umgebung bunter gestalten will und den Insekten das Leben erleichtern – oder gar ermöglichen – möchte.

Aber jetzt kommt mein großes ABER: Bitte nicht das Augenmaß verlieren!

Wir decken uns auch jedes Jahr aufs Neue mit Blumensamen und Seedbombs ein, um den hinteren Teil unseres Gartens sowie den hässlichen Streifen zwischen unserer Gartenmauer und dem öffentlichen Spielplatz bunter zu gestalten. Dafür haben wir aber vorher bei der Stadtverwaltung nachgefragt, denn manch eine Brachfläche mag ja auch ihren Sinn haben.

Seit zwei Jahren rollen wir auch selbst Samenbomben, die wir aus Tütchen RegioSaatgut immer wieder nachziehen.

Nur noch die Tüten sind Original, der Samen darin wird jährlich erneuert.

Das hatten wir vor einigen Jahren einmal geschenkt bekommen und die darin enthaltene Feldblumenmischung (Kornblume, Klatschmohn und Kamille) wurde eigens dafür von der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft auf Saatgutvermehrungsflächen des Rhein-Erft-Kreises geerntet. Wenn wir diese Samen bei Spaziergängen und Wanderungen in unserer Heimat „auswildern“, verändern wir die Flora nicht. Neue Ernte für südlichere Gefilde erwarten wir uns in diesem Sommer von einem Tütchen mit Samen namens Binger Mischung für eine Wildblumenwiese, die letztes Jahr zur Erinnerung an die 10 Jahre zurückliegende Landesgartenschau in Bingen verschenkt wurden.

Nochmal zurück zu meinem großen ABER: Bitte nicht das Augenmaß verlieren!

Zu meinem Schrecken beobachte ich bei meinen letzten Recherchetouren in der Eifel und bei den ersten im Westerwald, dass manch ein Wanderer bei den Seedbombs ohne Verstand vorzugehen scheint. In Maria Laach schimpfte eine Mitarbeiterin der Klostergärtnerei über all die fremden Sämereien, die rund um den Laacher See einfach ins Naturschutzgebiet und in die Klostergärten geworfen werden. Ebenfalls in der Eifel sah ich einen Radfahrer, der an einem trockenen Tag trockene Samenbomben um sich warf. Nochmal Eifel: An einem Frosttag im Januar ließen Wanderer vor mir immer wieder feuchte Taschentücher fallen, in die sie Blumensamen gelegt hatten. Im Westerwald erzählte mir eine Wandererin ganz stolz, dass sie Samen ihrer schönsten Gartenblumen in ihre Seedbombs eingebacken hat. Auf meine Frage, ob das denn auch Blumen sind, die in ihrer Wildform in dieser Region wachsen (oder früher wuchsen), wusste sie keine Antwort.

Der BUND ist auch skeptisch:

…andererseits das Ausstreuen von Zierblumensamen (in der Regel, indem sogenannte „Seed Bombs“ – mit Samenmischungen gefüllte, angefeuchtete Papiertüten – aus fahrenden Autos geworfen werden) zur Verschönerung von als hässlich empfundener Brachflächen. Diese Praktiken werden in weiten Kreisen – auch von Naturschützern – als spontaner Ausdruck eines neuen städtischen Naturgefühls gefeiert. Aus Naturschutzsicht sind sie jedoch nicht unproblematisch, da Brachflächen einen hohen Wert als Stadtnaturschutz 17 Naturraum haben können. Werden solche Flächen unkontrolliert zu Gartenbauzwecken umgebrochen, gehen sie als Lebensraum für mitunter bedeutsame Tier- und Pflanzenbestände verloren, so daß derartige Landnahmen nicht immer unwidersprochen bleiben dürfen. Noch bedenklicher ist das Werfen von „Seed Bombs“, da fast immer die Samen gezüchteter Zierpflanzen benutzt werden. Das Problem liegt hier weniger bei exotischen Arten, die in der Regel bald wieder verschwinden, sondern bei den Zuchtsorten einheimischer Arten, die sich frei mit ihren Wildformen vermischen und damit sowohl das Erscheinungsbild der jeweiligen Arten ändern als auch ihre Vitalität herunter setzen können. So gibt es durchaus bereits städtische Bereiche, in denen Klatschmohn und Kornblumen fast nur noch in Gartenformen und kaum noch als Wildformen vorkommen.

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/standpunkt/stadtnatur_stadtnaturschutz_standpunkt.pdf

Also: Bienenschutz und Samenbomben für eine buntere Umgebung sind prima – wenn ihr Folgendes beachtet:

  • bildet Seedbombs aus Gartenerde und Ton. Elke Bitzer hat ein gut funktionierendes Rezept in ihrem Blog
  • verwendet Saatgut aus gebietseigenen Herkünften.
  • verwendet den Samen der Wildformen, statt der Gartenformen
  • April und Mai sind die idealen Zeiten für eure Bombenangriffe
  • stellt sicher, dass der Samen auch angehen kann. Die trockene Seedbomb muss etwas in den Boden eingedrückt werden und einen Schluck Wasser aus eurem Proviant bekommen, um auch wirklich der Grundstock zu einer Schmetterlingswiese werden zu können
  • bedenkt bei der Auswahl des Ortes, dass Privatleute über Blümchen auf ihrem englischen Golfrasen not amused sein könnten, dass für die Farbgebung von Parks die Parkgärtner zuständig sind und Naturschutzgebiete wegen der bereits vorhandenenen Flora geschützt sind.

Wer gerne mehr für Maja, Willi, Flip & Co machen will, kann einfach den eigenen Garten oder Balkon zum Insektenparadies machen. Unsere Bienen und Hummeln lieben z.B. unseren Lavendel im Vorgarten und die kunterbunte Mischung an der Grundstücksgrenze, die nur zweimal im Jahr gemäht wird.

2 thoughts on “In aller Munde: Seedbombs

  1. Besonders die ABER-Passage gefällt mir sehr. Darüber hatte ich mir bisher noch wenig Gedanken gemacht. Aber ich habe auch noch nicht mit Samen außerhalb meines Gartens um mich geworfen.

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