Wir haben keine Vorsätze für das Neue Jahr. Aber wir nehmen zum zweiten Mal an einer Challenge teil, die Familien weltweit vor die Tür bringt. Im Juni letzten Jahres hatten wir davon gelesen und waren sofort dabei:

1000 Hours Outside liegt eine (von mir nicht überprüfbare, aber wahrscheinlich sehr realitätsnahe) Statistik zugrunde, wonach Kinder im schulpflichtigen Alter etwa 1000 bis 1200 Stunden im Jahr vor Bildschirmen verbringen. Durch Homelearning war es wahrscheinlich sogar deutlich mehr. Die Annahme der Macher von 1000 Hours Outside ist: Das kann nicht gesund sein und sollte mit der gleichen Zahl an Stunden im Freien ausgeglichen werden.

Mein erster Gedanke war: „Das ist doch gar nicht zu schaffen!“ Dann war meine Neugier geweckt und ich wollte es ausprobieren. Also habe ich mir einen ganz simplen Tracker auf der Homepage www.1000hoursoutside.com heruntergeladen. Das sind Ausmalblätter mit genau 1000 Kästchen, zum Teil auch mit sehr schönen Motiven, um Kinder motiviert zu halten.

Das Jahr war ja schon fast zur Hälfte vergangen, mir reichte es also, wenn ich 500 Felder angemalt bekäme. Umso überraschter war ich, dass wir tatsächlich vom 25. Juni 2022 nur bis zum 2. Januar 2023 benötigten, um alle 1000 Felder zu markieren. Ich muss mir also keine Sorgen darum machen, dass die Kinder zu wenig an der frischen Luft sind.

Gewertet habe ich nur Stunden, die ich mit mindestens zwei meiner Töchter draußen verbrachte. Deshalb flossen auch meine Recherchewanderungen, Mama-1-Tochter-Basketball-Zeiten und ihre Schulwege und Schulhofzeiten nicht mit ein.

Wahllos wollte ich die Felder nicht markieren, also habe ich mir eine Farbkennung ausgedacht. Das erwies sich am Ende sogar als besonders aussagekräftig, denn ich kann nun sogar sagen, wie viele Stunden wir im zweiten Halbjahr 2022 auf welche Weise im Freien verbracht haben:

  • braun: 106 Stunden beim Wandern oder auf der Hunderunde
  • rot: 55 Stunden im Freilichtmuseum, Märchenwald, Stadtrundgang
  • orange: 89 Stunden am Lagerfeuer, beim Schnitzen oder Bushcrafting
  • gelb: 198 Stunden im Garten oder Schulgarten
  • grün: 168 Stunden im Wald
  • blau: 107 Stunden bei Nacht auf dem Trampolin, bei Nachtwanderungen oder beim Sternegucken
  • lila: 57 Stunden im, am und auf dem Wasser
  • rosa: 220 Stunden sonstwie im Freien, z.B. auf dem Spielplatz, am Basketballkorb,…

Wir haben guten Startbedingungen, weil wir für die Gartenarbeit und die Hunderunden ohnehin im Freien sind. Aber auch mit Garten und Hund könnten die Kinder sich lieber für TV oder Tablet entscheiden. Ich musste manchmal auch überlegen, wie ich die Kinder ins Freie bewege. Wenn ihr das auch einmal ausprobieren wollt, kann euch vielleicht meine Erfahrung mit unserer Challenge helfen. Hier meine Tipps:

  1. Je nach Wetter rausgehen: Wir sind nicht jeden Tag 3 Stunden draußen. Im Winter ist manchmal schon eine Stunde eine Zumutung für die Kinder, besonders an Schultagen. Wenn die Lehrer und OGS-Betreuer „wegen Wetter“ nicht rausgelassen haben, muss ich sie abends nicht noch damit gängeln. Andererseits waren wir an manchen Tagen im Sommer 23 Stunden an der frischen Luft und nur kurz für Toilettengänge, Einkäufe,… drinnen.
  2. Draußen kochen/essen: Frühstück auf der Terrasse, Picknick im Park, Grillen, Stockbrot über dem Lagerfeuer, Couscous aus dem Hordentopf. Wenn man das an jedem schönen Tag macht, kommen einige Stunden zusammen. Einig sind wir aber darüber, dass wir für diesen Punkt noch ein gutes Wespen-Vergräm-Konzept benötigen.
  3. Neugierig machen: In einem Nebensatz erzählte ich, dass ich als Jugendliche gerne im Freien geschlafen habe, ohne Zelt, unter freiem Himmel. Das fanden die Kinder so spannend, dass wir sofort eine Nacht auf dem Trampolin schlafend verbrachten. Das ist sogar für meine alten Knochen erstaunlich bequem und wir haben danach noch einige Male vor dem Einschlafen Sterne statt Schäfchen gezählt.
  4. Zelten: Das muss nicht weit weg sein. Wenn ein Freund oder die beste Freundin mitmachen darf, geht das sogar im Garten.
  5. Experimentieren: Auch im Winter gibt es einiges in der Natur auszuprobieren. So haben wir z.B. fast zwei Stunden bei klirrender Kälte versucht, Seifenblasen einzufrieren.
  6. Vorleben und selbstverständlich machen: Ich habe viele meiner Tätigkeiten nach draußen verlagert. Wenn ich mit dem Notebook unter dem Sonnenschirm sitze, kommen die Kinder auch mit den Hausaufgaben nach draußen. Wenn ich die Hunde im Garten kämme, spielen die Kinder „Picknick“ auf dem Rasen. Wenn ich das Fahrrad im Hof repariere statt in der Garage, bekomme ich alle 2 Minuten einen Basketball an den Kopf.
  7. Kombibäder besuchen: ja, wir schwimmen im Sommer natürlich auch in Badeseen und Freibädern. Aber in vielen Kombibädern kann man das ganze Jahr nach draußen schwimmen, wir wissen deshalb auch, wie Pladderregen unter Wasser aussieht und dass man sich Ende Dezember manchmal vor lauter Dampf sogar in kleinen Außenbecken gegenseitig gar nicht sieht.
  8. Erlauben & Übersehen: Wenn es um die Zeit im Freien geht, sind meine Regeln nicht so streng wie im Haus. Drinnen erinnere ich an Tischmanieren und reiche Servietten. Draußen dürfen beim Essen die Hände benutzt werden und Dreckigsein gehört dazu. Ich lasse mich nicht einmal von einem Kind provozieren, dass mit einem „Na?-Wirst-du-mir-das-verbieten-Grinsen“ bei Minustemperaturen so lange auf der Eisdecke einer Pfütze herumspringt, bis das Eis gebrochen und das Kind klatschnass ist. Dann fällt die Hunderunde eben etwas kürzer aus, damit das Kind zuhause ist, bevor es samt Bekleidung steif gefroren ist.
  9. Aufrunden: Zwei Stunden und 50 Minuten bei einem Martinszug und danach auf dem zugigen Schulhof werden selbstverständlich als 3 Stunden eingetragen. Eine Dreiviertelstunde Hundespaziergang bei ungemütlichem Novemberregen trage ich meinen tapferen Begleiterinnen als ganze Stunde ein. Es kommt ja am ende auch gar nicht auf die genaue Stundenzahl an. Wichtig ist doch nur, dem Aufenthalt im Freien die Priorität vor den beleuchteten Gesichtern zu geben.
  10. Spaß haben: Wenn es zur Qual wird, lasst es! Ich gehöre noch zu einer Generation, die man mit Stubenarrest strafen konnte. Deshalb unterstütze ich die Kinder bei allem, was sie draußen machen wollen. Dem Wunsch nach einem Skateboard komme ich viel schneller nach, als wenn ich um einen Kinobesuch gebeten werde. Ich muss mehrfach um Leckereien für die Couch angeschnorrt werden, aber biete freiwillig Verpflegung für ein Spielplatz-Picknick an.
2023 füllen wir ein Mandala mit den draußen verbrachten Stunden

5 thoughts on “1000 Stunden draußen – 1000 Hours Outside

  1. Ein total motivierender Bericht! Super Idee. Habe ich mit viel Vergnügen gelesen. Bin gespannt, wie euer Mandala Ende 2023 aussieht. Liebe Grüße Maria

  2. Tolle Idee! Ja, Stubenarrest ist heutzutage keine Strafe mehr, vor allem wenn der Computer im Zimmer steht.
    Ihr seid ja sowieso mehr unterwegs als andere Leute mit Kindern, da ist es denn auch kein Wunder, wenn die 1000 Stunden schnell weg sind.
    Was ist mit draußen lesen? Das wird wohl bald dazu kommen. Ich stellte fest, dass ich lieber im Sommer im Garten lese als im Winter auf dem Sofa. Momentan mutiere ich zur Couch-Potatoe und stelle fest, dass mir meine 4 Wände nicht mehr gefallen. Wär ich doch bloß über Winter weggefahren.

    1. Draußen lesen ist schwierig. Sitze ich im Garten, juckt es mir in den Fingern und ich fange das Buddeln oder Schnitzen an. Und die Kinder sind zu hibbelig zum lesen, wenn sie auch rennen oder spielen können.

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