ziemlich-mitgenommen-2Ich komme leider kaum noch zum Lesen, seit ich Mutter bin. Ein Buch muss von Titel und Cover sehr ansprechend sein, damit es überhaupt auf meinem Nachttisch landet. Ich mache gnadenlos von meinem Leser-Recht Gebrauch, ein Buch nicht bis zum Ende zu lesen, wenn es mir nicht gefällt. Was ich dann komplett gelesen habe, hat mich wirklich begeistert – und ist es mir auch wert, im Blog vorgestellt zu werden.

Mein Highlight des Jahres 2016 war ohne Zweifel „Ziemlich mitgenommen“ von Mia Sassen. Als ich es bei Ikea aus dem Mitnehm-Regal zog, fühlte ich mich genau so, wie es der Titel sagt. Doch als ich das Bild mit den beiden Frauen in dem uralten Landy sah, besserte sich meine Laune schlagartig. Ich dachte an viele schöne Reisen mit meinem eigenen Landy und schon ging es mir gut. Also nahm ich das Buch mit.

Isabel hat den Job verloren, ihr Mann hat dafür nur gefühllose Kommentare übrig, die Tochter pubertiert – da reicht eine Autopanne aus, um ihr klar zu machen, dass sie Abstand von ihrem alten Leben nehmen möchte. Also steigt sie in den Landrover von Viktoria ein. Das Innere des Landrovers ist orientalisch ausgestaltet, aus den Lautsprechern ertönt Balkanfolklore, es duftet nach Jasmin und Erdbeere. Sie lässt sich nicht nach Hause mitnehmen, sondern begleitet die alte Dame nach Istanbul. Dort will diese nach ihrer großen Liebe suchen, die sie vor 40 Jahren aus den Augen verlor.

Was folgt ist ein fröhlicher Roman über eine turbulente Reise von Norddeutschland über den Balkan nach Istanbul, der prima als Roadmovie verfilmt werden könnte, aber auch viele Elemente enthält, bei denen ich beim ins Nachdenken kam. Über Moralvorstellungen, die „große Liebe“, das Sterben, Familienzusammenhalt, Frauenfreundschaften – und darüber, mir irgendwann einmal wieder einen Landy zu kaufen.

Eine Textstelle (S. 236 f.) gibt mir im Alltag Kraft:

„Es gibt da so eine indianische Weisheit“, lächelt Heinrich.
„Ich sage heute Ja zu indianischen Weisheiten.“
„Sagt der schwule Indianer zu seiner besten Freundin…“
„Verdammt, ich wusste, dass du dir jetzt etwas aus den Fingern saugen würdest.“
„Heinrich lacht. „Okay, aber jetzt mal ernsthaft. Sagt der Indianerhäuptling zu seinem Sohn: In jedem von uns kämpfen zwei Wölfe. Der eine Wolf ist böse. Er ist voller Neid und Ärger und Selbstmitleid.“
O weh. Ja, das ist einer meiner Wölfe. Nach dem Telefonat mit Tina war ich in der Tat ziemlich neidisch. Und ich tue mir in letzter Zeit auch ganz schön oft leid.
„Der andere Wolf ist gut“, fährt Heinrich fort. „Er empfindet Liebe, Mitgefühl, Freude uns Gelassenheit.“
Ich lächele ihn an. Ja, diesen Wolf kenne ich zum Glück auch.
Heinrich erwidert mein Lächeln. „Der Sohn will wissen, welcher der beiden Wölfe gewinnt.“
„Das wüsste ich auch gern“, flüstere ich. „Was antwortet ihm der Häuptling?“
„Der Häuptling antwortet: Der, den du fütterst. Der gewinnt.“

Dieses Buch ist eindeutig kein Anwärter für den Literaturnobelpreis, aber für mich eine aufmunternde Lektüre mit hohem Fernwehpotential und zeigt mir, wie wichtig Freunde sind.

Und deshalb hier an dieser Stelle: Danke alle Menschen, die mich als Freundin betrachten oder die ich für meine Freunde halte. Ihr rettet mir immer wieder mit kleinen Gesten den Tag: Mit Kaffee und Doppelkeksen, mit netten Kommentaren im Blog, mit Streicheleinheiten für meine Hündin, mit türkischen Maronen für mein hungriges Kind, oder sogar mit einem geheimnisvollen Brief mit McDonalds-Futtergutschein für meine Mädels.

 

8 thoughts on “Ziemlich mitgenommen

  1. Liebe Ingrid,danke für den Buchtipp,ich denke diese Lektüre werde ich mir auch besorgen. Deine Beschreibung hat mich neugierig gemacht!

    Lg

  2. weisst du,ich komme auch nicht mehr zum lesen-und das sogar völlig ohne Kinder… bei mir reichen job,Mann, Haus, Hunde, Katzen und Tierschutz ( in variabler Reihenfolge) völlig aus….das letzte Buch, das ich gelesen habe-mit Ausnahme deiner wunderschönen weihnachtsgeschichten-war ein Thriller von Adler olufsen,und zwar während meines Krankenhausaufenthaltes.und das ist auch schon wieder 1 1/2 Jahre her.vielleicht sollte ich einen weiteren Infarkt in Betracht ziehen-das Buch hat mir gut gefallen, und es gibt da noch 5 weitere Teile…

      1. pffft,erschlag mich! das Buch steht im Regal, aber ich komm jetzt nicht dran.ich kann dir sagen,es ist der erste Fall für Kommissar Mark (?) dingsbums, vom sondedezernat Q.sagt dir das was?

          1. das ist lieb von dir.du bist dir aber im klaren darüber, das es bis 2040 dauern könnte, bis ich sie gelesen habe?!

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