Oh, wie habe ich sie vermisst auf all den wunderschönen Touren auf Mallorca und im Bergischen Land.

Meine Eifel!

Ich muss mir eingestehen, dass ich eifelsüchtig bin.

Selbst traumhaftes Wetter und größtes Gipfelglück auf der Mittelmeerinsel waren oft mit Gedanken an die Eifel gepaart.

Jede Wegmarkierung des Sauerländischen Gebirgsvereins wurde mit den Wegzeichen des Eifelvereins verglichen.

Toskana-Feeling bei Minusgraden

Bei der Überarbeitung der Via Francigena habe ich im Toskana-Kapitel immer an die Wacholderheiden bei Adendorf denken müssen, wo mir bei der Recherche zur Erstauflage des Eifelsteigs bei Minus 2 Grad, Ostwind und knietiefem eiskaltem Wasser in den Auen des Lampertstals zwei Mitwanderer ins Ort riefen „Wie inne Toskana! WIE INNE TOSKANA! NEE, SCHÖNER ALS INNE TOSKANA!!!“

Nun kann ich endlich wieder in die Eifel, um vor Ort die Tracks aufzuzeichnen, Fotos zu schießen und Eindrücke einzufangen, die ich brauche, um meinen Manuskripten den letzten Schliff zu geben. Obwohl meine Familie aus der Eifel stammt und ich seit frühester Kindheit dort unterwegs bin, gibt es noch so viel Neues für mich zu entdecken.

Die Eifel: ein offenes Geschichtsbuch

Vorgestern zum Beispiel war ich in Nideggen-Schmidt, weil ich feststellte, dass ich noch nie ein Foto von Sankt Mokka gemacht hatte. Dabei entdeckte ich in der ehemaligen Taufkapelle der Kirche einen Infopunkt des Nationalparks Eifel. Er ist sehr schön angelegt, mit Infotafeln, Prospektständern, Sitzgelegenheiten und zwei Videosystemen. Nur die Lehne auf der Sitzbank ist für mich zu niedrig. Ich schaute mir nämlich einen Film über die Schlacht im Hürtgenwald an und nach sechs der zwölf Minuten schmerzte das Kreuz, also schaute ich den Rest im Stehen.

Über die Schlacht im Hürtgenwald hatte ich bei einem unserer Naturfreunde-Paddelwochenenden gehört. Das sollte mir im Ersten Staatsexamen den Hals retten. Denn es ging in dem Zivilrechtsfall um einen Mann aus Kreuzau, der Anfang November 1944 ein Dreizeugentestament errichtete. Wie durch ein Wunder überlebt er und stirbt erst 1990. Nu stritten die Hinterbliebenen über die Gültigkeit des Testaments. Fieberhaft dachte ich darüber nach, was ich über Dreizeugentestamente wusste, denn ich saß an zweiter Stelle. Der Prüfling neben mir disqualifizierte sich mit der Aussage „Kreuzberg ist ein Stadtteil von Berlin…“ und machte den Fehler, den Prüfer gegen sich aufzubringen, indem er dessen Einwand „Aber das Testament wurde in Kreuzau errichtet!“ mit einem „Ja, sach ich doch!“ abtat. Mir war immer noch nichts zur Gesetzeslage eingefallen, als der verärgerte Prüfe sich mit einem gebrummten „Mal sehen, was für eine blöde Antwort mich als nächstes erwartet!“ an mich wendete. Also tastete ich mich langsam vor. Kleinlaut begann ich „Kreuzau ist ein Dorf in der Nähe von Aachen…“ – einer der Prüfer nickte –  „…nicht weit davon entfernt liegt der Hürtgenwald…“ – mehrere Prüfer nickten – „…ich erinnere mich an die Schlacht im Hürtgenwald…“ (gelogen, ich erinnerte mich an eine absolut geile Motorradtour, bei der wir einem etwa gleichaltigen und sehr gutaussehenden US-Amerikaner den Weg zum Ehrenfriedhof Hürtgen zeigten und dabei erfuhren, dass die Amis das Schlachtfeld ganz treffend Hurt-genwald nannten) – der Zivilrechtprüfer seufzte erleichtert auf – „in der es auf beiden Seiten hohe Verluste gab…“ (keine Ahnung, reiner Blöff, aber irgendwie logisch, wen es einen eigenen Kriegerfriedhof gab) – „…also dachte der Mann sicherlich, dass er auch nicht mehr lange zu leben hatte…“ – Der Prüfer klatschte kurz in die Hände und sprach: „Da wundern sich die Herren Prüflinge, dass die einzige Frau in der Runde sich mit so etwas auskennt, oder? Werden sie es denn wenigstens fertig bringen, den juristischen Teil dieses Falles zu lösen ???“ Er gab den Fall an meinen Sitznachbarn ab und ich wurde die komplette Zivilrechts-Prüfungsstunde nicht mehr angesprochen. Keine Ahnung von Geschichte, wenig Ahnung von Dreizeugentestamenten, aber am Ende die beste Note in diesem Teil der mündlichen Prüfung. Also stimmt es doch: Reisen bildet.

Gestern nun sah ich in Schmidt in dem Film die ganze Grausamkeit dieser Schlacht. Auf deutscher Seite kämpften Kinder und Greise. Die Amis waren schlecht vorbereitet und in dem dichten Wald vollkommen verloren, sie schlissen Tausende von Soldaten auf. Einer der Soldaten im Film erzählte davon, dass sie „drei Bäume am Tag“ eroberten. In dieser Schlacht erkauften sie sich einen Geländegewinn von 2,7 km mit 4500 Toten aus den eigenen Reihen und 3200 gefallenen Deutschen. Als der Kraftstoff ausging und die Soldaten keine Kraft mehr hatten, ihre Kameraden zu begraben, verloren viele Soldaten den Verstand. Sie verließen den Wald in kopfloser Flucht oder saßen reglos zwischen den Leichen und Leichenteilen.

In der Schule wurde kaum über den Krieg gesprochen. All unsere Lehrer bissen sich an den Themen Judenhass, Hitler, Konzentrationslager und Atombomben fest. Privat erfuhr ich immer wieder einzelne Details aus dem Krieg, immerhin hat er das Leben meiner Vorfahren durch Soldatenzeit, Kriegsgefangenschaft, Flucht und Vertreibung komplett verändert. Als Kind spielten wir noch in alten Bunkern auf dem Spielplatz in unserer Straße. Aus der Eifel kannte ich die Panzersperren, aus der Bretagne/Normandie große Bunkeranlagen.

Aber erst jetzt verstehe ich, warum mein Prüfer der Auffassung war, dass diese Schlacht zur Allgemeinbildung angehender Juristen gehört. Und ich verstehe, warum mein Vater (Jahrgang 1925 und damit aktiver Kriegsteilnehmer) auf dem Krankenhausflur ein Tänzchen mit der verdutzten Hebamme machte, als sie ihm die Nachricht überbrachte, er sei Vater einer Tochter geworden. Sie war erstaunt, weil die meisten Väter sich doch einen Stammhalter wünsche und er unterbrach seinen Lachanfall, um ihr zu sagen: „Ein Mädchen muss aber nicht in den Krieg ziehen!“

Die Eifel: Quelle meiner Erinnerungen

Ihr könnt fast jedes Thema anschneiden und ich kann euch mindestens eine Erinnerung liefern, die in der Eifel spielt.

  • Als mein Vater noch lebte, besuchten wir öfters seine Familie in der Umgebung von Mayen, wo ich auch Laufen lernte.
  • Meine Oma wollte nach seinem Tod immer von meiner Mutter nach Rieden gefahren werden. Ich dachte lange „Rieden“ und „Eifel“ seien zwei Worte für ein Reiseziel.
  • Wochenendfahrten führten in alle Naturfreundehäuser der Eifel,
  • mit der Schule klapperten wir alle Jugendherbergen und Schullandheime ab.
  • Meine erste große Radtour führte mit Hans, Werner und Thomas Weil von Zuhause durch die Eifel an die Mosel.
  • In der Eifel fuhr ich schon als Kind Ski, später lernte ich dort Paddeln, Motorradfahren und Segeln.
  • Allein drei meiner insgesamt sieben Füllungen in meinem 1-1 Schneidezahn gehen auf die Eifel zurück: Rollschuhlaufen auf plötzlichem Rollsplit in Hellenthal, wegflutschender Gummizurrgurt beim Kanadier in Heimbach und eine Halse auf einer Jolle auf der Ruttalsperre.
  • Schon beim Schüleraustausch in der siebten Klasse, dann aber auch bei den seltenen Besuchen unserer DDR-Verwandtschaft fuhren wir immer nach Roetgen, um unseren Besuchern eine Staatengrenze zu zeigen, die man nur bei genauem Hinschauen überhaupt wahrnimmt. Für mich war dieser Umstand ebenso selbstverständlich wie die durch die Vennbahntrasse entstandenen Enklaven und Exklaven, während ich als 12-jährige sogar meinem beim Anblick dieser Grenze staunenden und weinenden Onkel erklären musste, was überhaupt eine Enklave ist.
  • Ein Großteil unserer Jugendgruppenfahrten führte allen damals existierenden Campingplätzen und Jugendzeltplätzen.
  • Selbst den späteren Nationalpark Eifel kenne ich aus Zeiten, in denen wir dort als DRK-Einheiten und/oder gemeinsam mit Reservisten und alliierten Soldaten Übungen machten. Mir war also ausgerechnet in der Eifel der Krieg näher gekommen, als sich mein Vater bei meiner Geburt vorstellen konnte. Wäre es zu einem Verteidigungsfall gekommen, hätte gewusst, wie ich Verwundete unter Beschuss versorge, zu einem Lazarett bringe und dort bei einer Triage mithelfe. Und ich bin genauso heilfroh wie mein Vater, dass es nie so weit kam.
  • … wovon soll ich euch bei Gelegenheit erzählen?
In der Eifel habe ich gelernt, dass Ziegen gerne auf Tischen und Bänken sonnenbaden

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