Zum ersten Mal sah ich mich auf der Konfirmation meiner späteren Schwägerin Ronja mit der Schwierigkeit konfrontiert, seither gehört sie zu meinem Alltag. Am Montag bei der konkreten Bezeichnung der Farbe unseres Buggys wurde es mir wieder klar: In Modefragen bin ich wohl eher ein Mann.

Ich bin in unserer Siedlung unter Jungs groß geworden, hatte in der Schule mehr Freunde als Freundinnen, auch später beim DRK und im Beruf hatte ich mehr mit Männern als mit Frauen zu tun. Kein Wunder also, dass ich etwas maulfaul bin, wenn es um die richtige Benennung von Farben geht. Für mich ist eine Sache schwarz, weiß, grau, rot, gelb, grün, blau – vielleicht noch rosa, lila, braun oder orange. Ich freute mich also an dem hübschen Konfirmationskleid in einem zarten Orange, als ein halbes Dutzend weiblicher Gäste mich exakt zeitgleich und unüberhörbar korrigierte: „Das ist Apricot!“ Hey, dachte ich mir, Aprikosen sind Früchte, was ein Blödsinn!

Seither verfolgt mich dieses Thema. In einem Bekleidungsgeschäft erfuhr ich, dass das Shirt nicht „hellgrün“, sondern „Mint“ ist. Die Lackfarbe von Jörgs Auto war „Aubergine“ – ich lachte mich fast tot, denn er hasst Auberginen! Auf Tupperpartys blamierte ich mich, weil ich die einzige war, die sich unter „Beere“ keine eindeutige Farbe vorstellen konnte. Aha, also sehen Holunder-, Erd-, Heidel-, Him-, Brom-, Stachel- und Johannisbeeren gleich aus?! Aktuell ist es eben ein Buggy in der Farbe „Cranberry„. Klingt das wirklich so viel verkaufsfördernder als „rot“? Ich jedenfalls konnte mit der Farbe Cranberry nichts anfangen und rief in meiner Sorge, es könnte sich um einen Pinkton handeln, beim Hersteller an, um dort mit den Worten „feuerrot“ und „ratzerot“ beruhigt zu werden. Das sind Worte, die ich verstehe.

Zu meinem Leidwesen habe ich drei Töchter, die älteste ist schon ein Modepüppchen (von mir hat die das nicht!) und die jüngste ist auf dem besten Weg dort hin. Schon mit zweieinhalb Jahren erklärte mir die Große den Unterschied zwischen pink und rosa, ein Jahr später zwischen lila und violett. Also gebe ich mir Mühe, Farben exakter zu beschreiben. Nun frage ich euch: Was gibt es zu lachen, wenn ich von „Leberwurstrosa“ spreche? Eigentlich müsste doch jeder genau wissen, welchen Farbton ich meine. Oder ist die Lebensmittel-Farbpalette von Veganern erdacht worden? Kann nicht sein, höchstens von Vegetariern, denn im Baumarkt gab es Wandfarbe im Farbton „Eierschale“.

Aber die Modebranche nimmt auch Fleischliches zur Bezeichnung von Farben. Mein Liebling ist „Taupe“. Heike versuchte mir vor einigen Jahren in ihrer Boutique zu erklären, dass sie ein Paar Schuhe, die mich interessierten, auch in „Taupe“ bestellen könnte. Mir sagte dieser Farbton nichts und sie nuschelte „was gräuliches“. Kurz bei Wikipedia nachgesehen, amüsierte ich mich darüber, dass es wohl eine Farbe namens Maulwurf gibt, der Ton hätte das aber auch fast schwarz, sattbraun oder ein dreckiges rosa sein können. Jetzt beim Schreiben dieses Beitrags habe ich dazu einen ganz tollen Artikel im Blog Löwenmauls Tagebücher von 2007  gelesen, der alle vermeintlichen Klarheiten zur Farbe Taupe endgültig beseitigt.

Während Obst und Gemüse ja immerhin noch einen groben Anhalt für eine denkbare Farbpalette „von-bis“ bietet, also dann doch sogar für mich fast (!) selbsterklärend sind, bleiben mir andere Farben ein Rätsel. Offenbar fehlt es mir an Allgemeinbildung, denn ich weiß trotz Chemieunterricht nicht, wie Anilin aussieht (im online-Katalog wirkt es blau). Habe ich in Englischunterricht nicht aufgepasst oder warum sagen mir die Farbe „Goldenrod“ und „Cornsilk“ nichts? Will ich wirklich eine Bluse kaufen, deren Farbe im Katalog mit „Schimmel“ angegeben wird (den kenne ich aus Garten und Kühlschrank übrigens in weiß, beige, grün, rosa und gelb!)?

Manche scheinbar differenzierende Farbnamen sind daher für mich eher verwirrend. Wie stelle ich mir die Farbe „Moosgrün“ vor? Eher ein frisches Grün wie Sternmoos in den Wäldern der Eifel oder gräulich bzw. gelblich wie die Moose im Moor oder braun wie das Moss in den Fugen in unserem Hof? „Lachs“ ist für mich sehr stark abhängig von dem konkreten Stück, das ich vom Fisch erwische, das kann „quietschorange“ oder „apricot“ oder „grau sein. Wenn ich „sandbraun“ höre, habe ich keine konkrete Farbe vor Augen, sondern meine Mitbringsel-Sandsammlung mit einem Spektrum, das Weiß, Schwarz, 100 Töne von Grau, Beige und Braun umfasst bis hin zu einem matten Grün, Gelb und dunklem Orange. „Kackbraun“ kam bei meinen Hunden und Kindern ebenfalls in fast jeder Grundfarbe (bislang zum Glück ohne Blau- und Rottöne) vor. Wer mir mit „senfgelb“ etwas Konkretes sagen will, sei auf die kunterbunten köstlichen Senfsorten der Monschauer Senfmühle verwiesen – oder auf die Bildersuche bei Google.

Ihr seht, ich kann mit meinen Sinnen sehr wohl Farben voneinander unterscheiden. Aber es ist mir nicht wichtig, bei einem Kleidungsstück die Farben „Melone“ und Apricot“ bzw. „Elderberry“ und „Aubergine“ voneinander abzugrenzen. Das eine ist eben ein helles Orange, das andere ein dunkles Lila. Wichtig ist mir nur, dass keine meiner Töchter bei ihrer Kleidung pink und orange kombiniert, das führt bei mir zu echten Schmerzen in den Augen!

Naja, ich werde also weiter mit Aurelia Farben lernen, um ihr in Gesprächen folgen zu können. Was meine Oma „blaugrün“ nannte und ich früher als „Türkis“ bezeichnete und vor einigen Jahren als „Petrol“ im Laden sah, heißt bei den Kindern heute wohl „Elsablau“, habe ich gelernt.

Oder ich suche mir Gesprächspartner, die mich verstehen, wenn ich von „Zigarettenaschenanthrazit“, „Milkalila“, „Bienenwachsgelb“ oder eben „Leberwurstrosa“ spreche.

Vielleicht poche ich aber auch einfach nur auf Inklusion in die Gesellschaft der Obstfarbler, wenn ich in meinem einfach strukturierten Denken nur in Grundfarben spreche.

Nein, ich mache es anders, denn Angriff ist ja manchmal die beste Verteidigung: Ich frage bei einer Farbbezeichnung nach der RAL-Nummer oder nach der Bezeichnung im Hexadezimalsystem. Damit müssten doch all diese Farb-Erbsenzähler zufrieden sein, oder? Ach, apropos Erbsen, „Erbse“ kommt übrigens leuchtend grün (#00ff00) in Großbritannien auf den Teller, mattgrün (#9acd32) in Deutschland – oder gelb (#ffd700) getrocknet aus der Tüte!

7 thoughts on “Beere, Taupe und Leberwurstrosa

  1. OH JAA

    das kenne ich auch.
    Meine Großmutter hatte einen kleinen emaillierten Topf, hellblau für mich…. andere nennen es Turkis oder Mint.
    Ich vergleiche auch ehere. Bei mir gibt es die „70ger Jahre Schwimmbadfliesenfarbe“ weiss auch jeder was gemeint it gell?

  2. ach,Ingrid, wenn es dich tröstet-das ist bei mir nicht anders.ich hätte euren buggy auch als ROT bezeichnet , Jeans sind eben blau und türkis ist schon eine Herausforderung für mich.bei meiner Haarfarbe muss ich auf das Bild der Verpackung sehen,sonst ist von lila bis pumucklrot alles drin-abwarten,wenn es trocken ist…ohne meinen goettergatten haette ich da echte Probleme-du siehst,du bist nicht allein…

    1. Hihi, pumucklrot ist auch eine wirklich eindeutige Farbbeschreibung. Ich scheitere auch immer am Drogeriemarktregal, wenn ich den Auftrag hatte, für meine Mutter Haarfarbe zu kaufen. Sie nimmt eigentlich „Kastanie“, aber wenn das nicht da ist, bin ich ohne Verkäuferin verloren. Ich habe ihr auch schon ‚mal etwas angeschleppt, dass am ehesten mit „lila“ bezeichnet werden kann. peinlich peinlich

  3. Der hätte auch von mir sein können.
    Für mich gelten nur additive: blau, grün, rot und subtraktive gelb, magenta, cyan. Dazu grau oder schwarz und weiß. Daraus kannst Du alles andere mischen.

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