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Klassische Krippe in Sankt Maria im Kapitol

Vor einigen Jahren, als meine Mutter und ich noch aktive Mitglieder der Naturfreunde Kendenich waren, nahmen wir jedes Jahr an einer Krippenwanderung teil.

Aurelia war im vergangenen Dezember so begeistert von der Weihnachtsgeschichte gewesen und hatte sich so sehr für Krippen interessiert, dass wir ihren letzten Ferientag am Montag spontan dazu nutzten, eine kleine eigene Krippenwanderung zu unternehmen.

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Ein kuschelwarmer Luftzug

Die Zwillinge waren im Kindergarten, meine Allergiespritze im Oberarm, es konnte los gehen. Mit der Bahn fuhren wir bei klirrender Kälte nach Köln zum Neumarkt und liefen von dort zur ersten Krippe in Sankt Maria im Kapitol.

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Sankt Maria im Kapitol, Kreuzgang

Ich kenne diese Kirche von meinen Recherchen zum Römerkanal-Wanderweg. Sie hat einen wunderschönen Kreuzgang, eine geradezu magisch auf mich wirkende Krypta und viele wunderschöne Details. Zu meiner Verwunderung erklärte mir meine Mutter beim Betreten der Kirche: „Hier war ich noch nie!“, sie seufzte und ergänzte: „Ich wohne jetzt schon über 60 Jahre hier, aber diese schöne Kirche kenne ich nicht.“ Ausführlich erkundeten wir die Kirche, sprachen über die Krippe, stiegen zur Krypta hinab, bestaunten ein tausend Jahre altes Kirchentor, steckten ein paar „Wünschekerzen“ an und ließen uns von der warmen Luft der Heizung von unten wärmen.

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Flüchtlingsboot in der Schifferkirche

Nächste Station war Sankt Maria in Lyskirchen, die Schifferkirche im Hafen. Wir waren noch nicht ganz am Heumarkt, da staunte ich einmal mehr über Aurelias gute Orientierung. Sie zeigte auf das Hotel („Da waren wir zur Karnevalssitzung mit Parker und Melina“), auf die Straße links davon („Diese Brücke nehmen wir doch immer, wenn wir zum Mongos fahren“) und auf die Straße rechts davon („Von da bin ich mit Kathi gekommen, als wir im Schokoladenmusem waren. Mama, Oma, können wir nach der Krippe ins Schokoladenmuseum gehen?“).

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Grenzzaun

Die Milieukrippe in der kleinen romanischen Kirche ist jedes Jahr sehenswert. Kölnkenner finden bekannte Gesichter, wenn sie die Krippenfiguren anschauen. Nicht nur Ochs und Esel, Schäfer und Heilige Könige sind zu sehen, sondern auch ein Junkie, eine Bordsteinschwalbe und eine Obdachlose. In diesem Jahr ging die Millieukrippe sogar durch die Presse und wird von ganzen Schulklassen umringt. Denn im Dezember waren Josef und seine hochschwangere Verlobte auf einem Boot zu sehen. Als wir vorgestern dort ankamen, waren der neu geborene Jesus mit seinen Eltern Maria und Josef auf diesem Boot zu sehen. Die arme Frau muss wohl auf dem Boot entbunden haben.

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Eine Kerze für alle Leute, die flüchten müssen

„Ene eschte Kölsche Jung“, der zufällig neben uns stand, erklärte Aurelia ganz süß, dass Maria und Josef ja eigentlich erst nach der Geburt von Jesus zu Flüchtlingen wurden, aber diese Krippendarstellung trotzdem sehr gut sei, weil sie so nah an der Wirklichkeit von Familien ist, die in der heutigen Zeit aus bestimmten Gründen ihre Heimat verlassen müssen. Von ihm erfuhren wir auch, dass das Boot vor einigen Jahren von der Maltesischen Armee beschlagnahmt worden war, nachdem darin 80-100 Flüchtlinge von Libyen in See gestochen waren. Mensch, so ein kleines Boot und soo viele Flüchtlinge.

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Ronald McDonald in Lyskirchen

Mir kribbelte es im Nacken vor Angst, ich könnte jemals in eine vergleichbare Situation kommen. Wir verbrachten erstaunlich viel Zeit an dieser Krippe, Aurelia wollte alles ganz genau wissen. Sie entdeckte Hühner, die sich um eine leere McDonalds-Frittentüte scharten. Sie entdeckte das Bärbelchen von Hänneschen. Und ganz hinten unter dem schwebenden Erzengel sah sie einen Grenzer, der einen Zaun baute, während ein Geistlicher dämlich grinsend daneben steht. Puh, harter Tobak. Wir Erwachsenen gingen mit einer Gänsehaut aus dieser Kirche und dachten noch lange über diese Krippe nach.

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Nach der Führung wissen wir mehr über gelbe und braune Senfkörner

Das Schokoladenmuseum war – wie fast jedes Museum – am Montag geschlossen. Wir trösteten uns mit dem Senfmuseum, das wir auch noch nicht kannten. Zuerst gab es einen Weinbergpfirsichlikör für die Oma, eine Bockwurst ohne Senf für Aurelia und eine Rindswurst mit viel viel Senf für mich. Hmmm, köstlich. Wir waren um 5 vor 2 satt und entschlossen uns, an der Führung teilzunehmen. Als einzige Besucher hatten wir also eine Privatführung. Schön, altes Handwerk mit allen Sinnen erleben zu dürfen. Blöd nur, dass beim Blick in den Maischekübel (der Müller hatte aus gutem Grund nur Oma und Mama schauen lassen…) auch das Schmerzzentrum angesprochen wurde. Sappralot, brennt frisch gemahlene Senfmaische in den Augen!

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Ein römischer Soldat im Senfmuseum

Vor Jahren hatte ich schon einmal in Cochem von der Schwestersenfmühle Senf gegessen, lecker. Besonders gut schmeckt uns der Kölsche Senf mit Gaffel Kölsch und der Currysenf. Mit dem Wabensenf können sie bei uns nicht punkten, in dieser Kategorie ist der Moutarde de Montjoie Honig-Mohn vom Monschauer Senfmüller einfach unschlagbar.  Beim Rieslingsenf schmecken wir keinen großen Unterschied. Beide Hersteller verstehen ihr Handwerk.

Irgendwie passte der Senf dann sogar in unsere Krippenwanderung, denn wir erzählten Aurelia die Geschichte vom Senfkorn aus der Bibel.

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Kletterecken an der Rheinpromenade

Nach der Führung blieb nur noch Zeit für eine Krippe. Also schlenderten wir auf der Rheinpromenade zum Kölner Dom. Die Krippe war auch ganz nett. Aurelia fielen sofort ein Feuerwehrmann, ein Polizist und eine Zwillingsmutter auf, die als Krippenfiguren zu sehen waren.

Tja, so geht eben auch die Kirche mit der Zeit. Nur Hirten, Könige und Erzengel bei der Geburt des Heilands wären ja heutzutage auch unvorstellbar. Bestimmt gäbe es einen riesigen Auflauf von Gaffern, die mit Handykameras jeden Atemzug des Neugeborenen festhalten und bei Instagram und Twitter posten ;o)

 

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Polizist und Feuerwehrmann stehen parat
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Domkrippe

 

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