Wer ein wohlklingendes und harmloses Synonym für „Völlerei“ sucht, sollte einmal eine Bergische Kaffeetafel mitmachen.
So wie wir am vergangenen Wochenende und während der Recherche zum Buch „Dein Bergisches Land – Mausschlaue Freizeittipps“.
Die Bergische Kaffeetafel ist ein echtes Kulturgut in der Region. Selbst im Freilichtmuseum Lindlar ist ihr ein Raum gewidmet. Sie wird in vielen Cafés im Bergischen Land angeboten. Nicht jeder Wirt kann es. Reinfälle kann man eigentlich nur vermeiden, indem man sich vorher das Lokal schon ‚mal bei einer normalen Tasse Kaffee anschaut. Sitzt vielleicht am Nachbartisch eine Gruppe staunend und schmatzend vor einer Bergischen Kaffeetafel? Oder sieht die Wurstplatte auf der Sonderkarte „Kaffeetafel“ aus, als hätte jemand nur schnell drei Discounterpackungen Billigwurst auf einen Teller gestülpt?
Nach unserer privaten Erfahrung in den vergangenen Jahren sind die Angebote in Solingen Burg wegen der starken örtlichen Konkurrenz alle auf einem sehr hohen Niveau. Dort gibt es in der Regel neben den üblichen Zutaten auch noch den speziellen Burger Zwieback.
Wer etwas ganz besonderes erleben will, sollte allerdings in der Rengser Mühle in Bergneustadt-Niederrengse einen Tisch reservieren. Mein Tipp: Wenn ihr bei der Buchung erwähnt, dass Kinder mit dabei sind, werdet ihr näher am Spielplatz platziert und könnt noch entspannt weiter schlemmen, wenn die Kinder schon wieder lieber toben wollen. Wir hatten sogar neben unserem Tisch eine eigene Tür, durch die die drei Mäuse schlüpfen konnten.
Die klassische Bergische Kaffeetafel und lokale Besonderheiten
Wenn früher im Bergischen Land jemand zu Besuch kam, wurde alles aufgetischt, was der Hof und der Vorratsraum zu bieten hatte. Kuchen, Brot, Brezeln, Wurst, Käse, Eingemachtes – einfach alles, was der Gastgeberin in die Finger fiel. Sah es noch etwas kümmerlich aus, kochte sie schnell Milchreis und buk Waffeln. Welch eine Gastfreundschaft!
Bei einer Bergischen Kaffeetafel, wie ihr sie heute in einem Café bestellen könnt, sind immer noch süße und herzhafte Speisen vertreten. Fester Bestandteil sind natürlich die leckeren Bergischen Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne. Hinzu kommen je nach Café Milchreis mit Zucker & Zimt, Burger Brezeln oder Burger Zwieback. Den gibt es in verschiedenen Sorten mit Zuckerguss.
Nur in Lieberhausen und in Rengse kommen außerdem Eierkuchen auf den Tisch, die so dick sind wie eine Sahnetorte. Deshalb findet man sie im Netz auch unter „Lieberhäuser Eierkuchen“ oder „Rengser Eierkuchen“. Da beide Gaststätten eine gemeinsame Vergangenheit haben, ist das Rezept fast identisch – und streng geheim!
In Rengse gibt es außerdem köstliche kleine Hefeküchlein, die am nächsten Morgen auch noch kalt ganz manierlich schmecken.
Doch damit nicht genug: Auf dem Tisch stehen bei den meisten Kaffeetafeln Körbe, Teller und Schalen mit Graubrot, Schwarzbrot, Bergischem Blatz*, Butter, Margarine, Marmelade, Apfelkraut, Honig, Quark, Griebenschmalz, Kräuterquark, Fleischwurst, Leberwurst und Blutwurst.
Manchmal werden sogar noch Reibekuchen, Bratkartoffeln oder andere herzhafte Köstlichkeiten serviert. Oder man kann Lachs, Kartoffelsalat und Schnaps hinzu bestellen. Damit seid aber besser vorsichtig, die normalen Kaffeetafeln sind so üppig, dass man keine Extras benötigt, um satt zu werden.
Keiner wundert sich bei einer Bergischen Kaffeetafel, wenn jemand süße und herzhafte Zutaten kombiniert. Dafür steht ja alles nebeneinander auf dem Tisch. Am Nebentisch bei einer Kaffeetafel in Solingen Burg legte sich jemand z.B. eine Scheibe Räucherschinken auf einen Zwieback, keiner seiner Tischgenossen verzog eine Miene. Cari stellte fest, dass ihr der Milchreis mit Tomaten viel besser schmeckt als mit Zimtzucker. Mein Tipp: Rosinenblatz mit Sahneleberwurst schmeckt erstaunlich lecker. Versucht es ‚mal an einer kleinen Ecke!
(Ich lasse seit meiner ersten Bergischen Kaffeetafel als Kindergartenkind alles andere auf dem Frühstückstisch, wenn ich Rosinenweckchen mit Kölner Leberwurst haben kann)
Was ist eine Dröppelminna?
Natürlich gibt es auch etwas zu Trinken. Kinder werden nach ihren Getränkewünschen gefragt, Erwachsene trinken Kaffee aus der Dröppelminna. Woraus? Aus einer Dröppelminna? Ja, so heißt die Kaffeekanne aus Metall, die auf dem Tisch steht. Sie hat einen Hahn, aus dem der Kaffee in die Tassen gefüllt wird. Weil der aber nie ganz dicht war, tropfte er. Er dröppelte, wie man im Bergischen Land sagt. Und Minna heißt diese bauchige Kanne, weil sie ein ganz kleines Bisschen so aussieht wie eine Haushaltshilfe (die damals in reichem Hause meist Minna hießen), die grade ihre Hände in die Taille stemmt.
Am besten ist es, eine Bergische Kaffeetafel für den späten Nachmittag zu buchen, wenn es noch früh genug für süße Leckereien ist, aber schon spät genug für herzhafte Abendbrotzutaten. Wer danach nicht satt ist, muss mir sein Geheimnis verraten. Wir haben zwischendrin immer wieder lange Pausen auf dem erstklassigen Kinderspielplatz gemacht und trotzdem noch so viel nach Hause mitgegeben bekommen, dass es bis zum übernächsten Tag reichte. Das ist übrigens ein weiters Plus in Rengse: Die Wirtsleute sind viel zu stolz auf all ihre selbstgemachten Gerichte aus Bio-Zutaten, als dass sie sie kommentarlos abräumen und in den Schweinecontainer werfen würden. Wir wurden explizit gefragt, was wir von den nicht gegessenen Dingen mitnehmen wollen.
*für die Auswärtigen: ihr nennt das vielleicht Stuten, Milchbrot oder süßes Weißbrot.
hmmm , das schaut sehr lecker aus!!!
Ist es auch. Beim nächsten Mal nehme ich dich mit, okay?