Jeweils nach Abgabe eines Manuskripts benötige ich ein paar Tage ohne Rechner. Das ist so eine Art Work-Life-Balance, die bei genauerer Betrachtung eine Work-Work-Balance ist. Aber es ist eben eine andere Arbeit, wenn ich ein paar Tage lang ohne schlechtes Gewissen Papierberge abbaue, Knöpfe annähe, Fenster putze, Wildwuchs am Geocache hinter meinem Grundstück entferne, Fahrräder flicke, Spielzeuge repariere, Blumen umtopfe, Glühbirnen wechsele, …

Während der Schreibphase bin ich bei jeder unerwartet langen Unterbrechung hibbelig, möchte weiter machen, möchte fertig werden. Jede nicht unbedingt erforderliche Arbeit muss warten. Das ist auch eigentlich kein Problem, denn keiner nimmt mir diese Arbeit weg oder stört sich daran, dass sie liegen bleibt. Meine Familie weiß ja, dass ich mit Abschluss des Manuskripts wieder einige Tage große Bögen um den Rechner mache.

Meine persönlichen Andenken an die Via Francigena

Dieses Mal ganz besonders, denn die Via Francigena war eine große psychische Belastung für mich. Die erste Recherche war 2010 (ein paar Tage auch mit Silke, danke dir!). Schon 2012 und 2013 war ich für die zweite Auflage unterwegs und hatte alles fertig, als ich aus dem Verlag die Nachricht erhielt, dass die Folgeauflage nun doch erst für 2016 geplant ist und die komplette Strecke als GPS-Track aufgezeichnet werden muss. Also wanderte ich im Oktober, November und Dezember 2015 erneut auf der Via Francigena, diesmal mit Kleinkind und zwei Babys. Das war ungleich schwieriger als die Solowanderung für die erste Auflage. Die Tracks dieser Touren und alle Fotos gingen mir beim Tod meiner externen Festplatte verloren, also musste ich im vergangenen Mai/Juni noch einmal auf die Strecke. Als dann mit dem Verlust der internen Festplatte zusammen mit dem Mailprogramm alle Antwortmails der Unterkünfte verloren gingen, verzögerte es sich noch weiter. Andere Buchprojekte rutschten in der Priorität weiter nach oben, aber nun ist es endlich geschafft. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie erleichtert ich bin.

Natürlich habe ich schon die nächsten Arbeiten auf dem Schirm: Bei der Via Francigena muss ich die Strecke für die Kartografin vorbereiten, Austauschfotos für die Layouterin heraussuchen und die Fragen der Lektorin abwarten. Danach geht es an die Fotos für Eifel mit Kindern, Leserzuschriften, Exposées für neue Projekte, einen Jahresplan für 2018 und das Manuskript für die Wanderungen in der Südeifel. Aber der nächste Abgabetermin brennt noch nicht supereilig unter den Nägeln.

Das heißt, ich muss nicht mehr in JEDER freien Minute am Rechner sitzen und nutze die Gelegenheit, um  – wieder einmal – auszumisten. Dabei habe ich drei Baustellen auf dem Arbeitszettel: Kinderklamotten, Papierkram und Bücher.

Kinderklamotten: Alle drei Kinder haben seit den Sommerferien die Kleider- und Schuhgröße gewechselt. Nele hat sogar eine Schuhgröße übersprungen. Also werden alle Sachen in Größe 80 und 86 in die Verkaufskisten sortiert, Größe 92 (für Cari) und 98 (für Nele) aus den Speicherkisten geholt, tragbare Sachen von Aurelia in Größe 116 auf dem Speicher eingelagert, Schuhe geputzt und sortiert, fehlende Socken gesucht,…

Papierkram: Alle schriftlichen Unterlagen der Via Francigena und fürs Bergische Land können weg, weil das Manuskript wohlbehalten bei der jeweiligen Lektorin angekommen ist. Nur die privaten Andenken werden verwahrt. Aber auch anderer Papierkram kann gehen. Den Traum, dann doch noch irgendwann einmal den Walesreiseführer für den Peter Meyer Verlag zu schreiben, für den ich schon seit 17 Jahren einen Vertrag habe, kann ich  wohl als ausgeträumt abhaken. Also habe ich nicht nur unsere riesige blaue Tonne mit Notizzetteln, Prospekten, Broschüren, Stadtplänen,… aus den verschiedensten Regionen Europas gefüllt, sondern auch noch zwei Kartons Papier zum Bauhof gefahren.

Bücher: Meine Mutter hat mir in den letzten Wochen über 200 Bücher in den Flur geräumt, die sie nicht mehr haben will und die ich verkaufen/verschenken/vercrossen/entsorgen soll.

Seit Manuskriptabgabe ist die Liste der liegengebliebenen Arbeiten im Haushalt, im Garten und am Haus deutlich geschrumpft. Das waren kleine, mittelgroße und große Affen, einige davon erst frisch auf meinem Schreibtisch angekommen, andere dort schon lange ansässig. Ich bin stolz auf mich.

6 thoughts on “Work-Life-Balance der besonderen Art

  1. Das liest sich doch alles sehr erfolgreich!!! Und du bist doch eh IMMER (für mich) tiefenentspannt! 😉
    Nur das mit den „Seit 17Jahren den Vertrag rund um das Wales-Buch“ verstehe ich nicht. Darfst du es trotz Vertrag nicht schreiben? LG Diana 🙂

    1. Ja, genau so ist es. Wir hatten einen Vertrag für einen Reiseführer über Wales gemacht, ich hatte auch schon vier Kapitel fertig geschrieben und viel Geld für die Recherchereisen ausgegeben, als es dann vom Verlag hieß, dass es sich nach „aktueller Lage am Reisemarkt“ nicht rechne, noch weiter als Autorin (weitere Reisen und Schreibarbeit) und als Verlag (Lektorat, Layout, Druckerei, Werbung) in dieses Projekt zu investieren. Man wolle erst den Markt beobachten und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt das Ganze weiter verfolgen. Aber daran ist nach 17 Jahren wirklich nicht mehr zu glauben. Und wenn doch, müsste ich ja trotzdem wieder ganz von vorne anfangen, weil alle Angaben veraltet sind.

  2. Und Erholung brauchst du gar nicht? Als das Life-Element bei der work-life-Balance? Weißte, sowas wie Lesen, Fernsehen, Meditation, Ausgehen, Sauna, Badewanne, ….

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