Wenn wir auf Reisen gehen, ist eine der schwierigsten Fragen stets „Welche Kleidung nehmen wir mit?“. Und zwar nicht erst, seit die Kinder da sind. Insbesondere auf langen Reisen stellte sich für mich immer die Frage, was in den Koffer oder Rucksack gepackt werden sollte.
Ich kenne mich leider zu gut und weiß, dass ich auf Reisen viel lieber Bekleidung kaufe als zuhause. Unterwegs weiß ich genau, was ich benötige. Es gibt sehr gut sortierte Outdoorläden für mich und wunderschöne Kleidung für meine Töchter. Meine Lieblingsweste kaufte ich im August 1998 bei einer Reise durch Kanada und wir sind immer noch beste Freunde. Auch die im selben Laden gekauften Wandersandalen sind noch in Betrieb. In Frankreich, Italien und Wales gekaufte Kinderkleidung gehört zu den Lieblingsstücken meiner Kinder.
Einweg-Wäsche ist glückliche Wäsche
Damit auf dem Heimweg das Gepäck nicht überhand nimmt, haben wir uns schon vor einigen Jahrzehnten ein Einwegwäsche-System zu Eigen gemacht, dass auch – und gerade – mit Kindern fantastisch funktioniert. Wenn Kleidungsstücke nicht mehr ganz nach unserem Geschmack sind, leichte Verschleißerscheinungen zeigen, einfach nur überzählig sind oder auch dem kleinsten Mädel bald zu klein sein werden, erhalten sie einen bevorzugten Platz im Gepäck. Gleiches gilt für Bücher, Campinggeschirr und viele andere Dinge.
Wir sagen der Hose oder dem Thermosbecher also quasi „Lebewohl“ mit einer letzten gemeinsamen Reise. Das empfinde ich bei lang gedienten ehemaligen Lieblingsstücken als wichtig. So ein Wanderstiefel ist auch nur ein Mensch – und kein noch funktionstauglicher Esbitkocher will einfach so zum alten Eisen geworfen werden!
Je nachdem, wohin uns unsere Reise führt, lassen wir diese Sachen nach dem letzten Gebrauch neben dem Abfalleimer im Hotel oder auf dem Campingplatz liegen. Besonders bei den Touren nach Afrika und Asien freuten sich die Zimmermädchen und Hausdamen über fast volle Flacons mit Parfum (Geschenk, nicht so richtig mein Duft), Blusen (deren Farbe zu keiner der aktuell passenden Hosen passte) oder Mini-USB-Kabel (von denen ich für jedes Gerät ein neues in der Verpackung habe, aber letztendlich im ganzen Haus nur zwei Ladestationen für alle habe).
Anonyme Geschenke mit hohem Fernweh-Potential
Wenn ihr nun überlegt, ob es nicht herablassend ist, so etwas zu tun: Nein, ist es nicht.
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Ich gehöre zu den Menschen, die solcherart zurückgelassenen Dingen ein neues Zuhause schenkt.
Während meiner gesamten Schulzeit leitete meine Mutter ehrenamtlich das Villehaus, das ist das Naturfreundehaus in Hürth und gleichzeitig eine Jugendherberge. Dort verbrachte ich viele Nachmittage, Abende, Wochenenden und Ferien. Bis vor drei Jahren haben wir dort immer noch sporadisch (manchmal bis zu einem Jahr) Herbergsdienst gemacht. Stets habe ich mich über weggeworfene Sachen geärgert, die noch gut waren – und umso mehr gefreut, wenn ein abreisender Gast diese nicht in den Mischmüll warf, sondern neben den Mülleimer legte.
Was mir interessant erschien, durfte ich behalten. Das waren englische Krimis, Kassetten mit türkischer Musik und ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel mit kyrillischen Schriftzeichen. Ich habe mir mit kanadischen, arabischen und niederländischen Shampoos die Haare gewaschen, mit Duschgel aus Südafrika, Spanien und Taiwan geduscht und Sudokos in einem japanischen Rätselheft gelöst, bevor diese in Europa überhaupt bekannt waren. Als Teeny hatte ich eine Lieblingsregenjacke mit der kanadischen Flagge und ein Brillenetui, das ein Gast aus Bolivien zurück gelassen hatte. Bis heute zählt die neben dem Mülleimer gefundene Bettwäsche eines Paars aus Österreich zu meinen Favoriten (Seither bin ich Uli Stein Fan). Ich hätte jederzeit Geld genug für eine neue, volle Schampooflasche gehabt. Aber ich empfand es so als viel spannender. Mit jeder Haarwäsche wurde mein Fernweh geweckt.
Bei allen Fernreisen haben wir auf dem ersten Campingplatz oder in der Selbstkocherküche der ersten Jugendherberge Besteck, Geschirr und Gewürze gefunden, die wir während unserer Rundreise nutzten. Und natürlich haben wir am letzten Tag Besteck, Geschirr, Gewürze, Reis, Nudeln und was sonst für nachfolgende Reisende nützlich sein könnte zurück gelassen.
Unerwartetes Wiedersehen
Dabei passieren lustige Dinge, manchmal gibt es auch ein unerwartetes Wiedersehen.
Bei unserer ersten Recherchefahrt nach Mallorca mussten wir in dem Hotel in Alcudia schon morgens auschecken, unser Flug ging aber erst abends. Das Zimmermädchen entdeckte uns in der Hotelhalle, klatschte in die Hände und brachte uns drei Minuten später eine Tüte mit Dingen, die wir absichtlich zurück gelassen hatten: Sandspielzeug der Kinder, ein definitiv zu klein gewordenes T-Shirt, eine notfallmäßig gekaufte und zuhause unnütze Jacke, Kinderkleidung, Romane… Sie dachte, wir hätten es versehentlich liegen gelassen, denn sie hatte unseren Zettel nicht lesen können, auf dem wir in deutsch und englisch klar gestellt hatten, dass wir all dies zurück lassen, weil es nicht mehr in den Koffer passt. Ein kurzes Gespräch mit dem Rezeptionisten brachte Klarheit und sie freute sich sehr, besonders über die Kindersachen, denn ihre Tochter war exakt ein Jahr jünger als die Zwillinge.
Einige Jahre zuvor hatte ich bei der Recherche für den Jakobsweg in einem französischen Hotel einige Sachen zurückgelassen, die mir den Rucksack zu schwer machten. Es war das vierte oder fünfte Mal auf dieser Strecke, dass ich mich von Sachen trennte und sie in der Unterkunft ließ oder nach Hause schickte. Die Wetterprognose für meine letzten Etappen bis Le Puy-en-Velay sagte heißes und trockenes Wetter voraus, die Füße schmerzten biestig, also musste ich mir ein letztes Mal Erleichterung verschaffen. Am nächsten Tag fiel mir auf, dass ich meinen Haustürschlüssel schon länger nicht mehr gesehen hatte und fragte zur Sicherheit in den letzten Unterkünften nach. Die nette Dame am Telefon sagte, sie habe etwas in meinem Zimmer gefunden. Sie wolle ohnehin ihre Mutter besuchen, die an meiner Pilgerstrecke wohnt und würde mir meine Habe in der benachbarten Herberge hinterlegen. Mein Französisch ist schlecht genug, um nicht zu stutzen, wenn Plural genutzt wird, obwohl ich Singular nutze. Doch ich musste ziemlich lachen, als ich in der Herberge nicht etwa einen Briefumschlag mit dem Schlüssel, sondern einen großen Karton mit all meinem Krempel fand, von dem ich mich absichtlich getrennt hatte. Doch Cluny ist eine Pilgerstadt, in der viele Pilger starten. Deshalb fanden schon am Abend in der Herberge der Schlafsack, das Campinggeschirr, das Reservetaschenmesser, zwei T-Shirts, der Regenponcho und die Isokanne ruck-zuck neue Eigentümer, mit denen sie weiter pilgern konnten. (Der Haustürschlüssel fand sich Tage später im Erste-Hilfe-Täschlein)
Lieb gewonnenes Reiseritual
Mein letzter Tausch war in Wales auf unserem Campingplatz in Llangollen. Bei unserer üblichen Nach-der-Anreise-Platzerkundung fanden wir zurück gelassenes Geschirr im Spülraum. Wir konnten die Teelöffel gut brauchen und mir gefiel eine der Tassen sehr gut. Den Rest ließen wir stehen, der verschwand in den Zelten und Wohnwagen weiterer Neuankömmlinge. Bei unserer Anreise ließen wir zwei Töpfe, eine Pfanne, einige Gläser und Besteck zurück. Auf dem Weg nach Hause würden wir nicht mehr kochen und konnten unbesorgt Ballast abwerfen, denn es handelte sich um Küchenutensilien, die wir eigens für diesen Zweck schon in den heimischen Küchen aussortiert hatten. Die Tasse ist momentan täglich in Gebrauch. Wenn ich schon in diesem Sommer nicht ans Meer fahren kann, stille ich mit dieser Tasse mein tägliches Fernweh.
Besonders gerne erinnere ich mich an Einweg-Müslischalen: Wir bekamen auf einem Campingplatz in Namibia Müslischalen geschenkt, die ein australisches Paar in Sambia gekauft hatte und damit durch Sambia, Simbabwe, Südafrika und Namibia gereist war. Wir ließen es vor unserem Abflug auf einem Campingplatz in Botswana zurück. Ob diese Schalen inzwischen noch andere afrikanische Länder bereist haben? Ich wüsste gerne, wohin all diese Dinge gereist sind. Aber leider gibt es ja nur für Bücher Tracking-Nummern (wenn ich sie bei Bookcrossing mit einer BCID versehe).
In jedem Fall ist es ein Ritual, das ich bei Reisen sehr liebe.
Bücher habe ich unterwegs (vor Bookcrossing) immer getauscht mit anderen Reisenden und gerade in Mittelamerika gab es auch in vielen Hotels und Gaststätten Tuschregale für Bücher.
Mit Klamotten bin ich ähnlich verfahren wie Du und habe sie zurückgelassen. Nicht unbedingt im Hotel, aber auf dem Zeltplatz oder in einem der ärmeren Ortsteile. Trotzdem plagte mich da manchmal ein schlechtes Gewissen.
Nur einmal, ausgerechnet in Neuseeland, haben wir Sachen im Hotel zurückgelassen und wurden dafür angeraunzt. Dabei waren es ausschließlich Lebensmittel, noch gut, und Brennspiritus. Beides hätten wir wegen der Neuseeländischen Hygienebestimmungen und der Luftsicherheit nicht mitnehmen dürfen. Es wurde aber als Garbage bezeichnet.
Ist also nicht immer erwünscht.
Überhaupt erinnere ich mich mit Schaudern an die neuseeländischen Straßensperren, an denen man dann gezwungen wurde, Obst und Gemüse entweder schnell aufzuessen, oder abzugeben.
Vielleicht wäre es eine gute Idee, in Hostels und auf Campingplätzen so eine Art Give-Box aufzustellen, Dann wäre es offizieller.
Solch eine Give-Box ist eine gute Idee. Ich würde sie sofort nutzen und Werbung dafür machen.