Nach zwei Weihnachtsfesten auf Mallorca und im Fichtelgebirge blieben wir in diesem Jahr zuhause.

Am Heiligabend wurde der Baum geschmückt und die Christmette mit Krippenspiel besucht. Nach unserer Rückkehr gab es Würstchen und Kartoffelsalat. Auch hier sind wir zum Klassiker zurückgekehrt, nachdem sich für Fondue oder Raclette keine Mehrheiten fanden.

Die Bescherung war für die Kinder mehr als aufregend. Sie waren fix und fertig, als alle Geschenke ausgepackt waren. So sehr sich Nele auch darüber freute, dass das Christkind das kleine Trampolin auf ihrem Wunschzettel entdeckt hatte, so müde war sie auch und bat mich darum, es erst am heutigen Morgen aufzubauen.

Teure Geschenke von Papa und Oma wurden zwar begrüßt und ausprobiert. Am Ende fand ich aber alle drei vollkommen zufrieden in den bei Aldi zufällig entdeckten Nixen-Schlafsäcken im Bett. In mein Staunen hinein erklärte mir Cari, dass das Christkind sehr schlau sei: „Ich mag keinen Schlafanzug und nicht unter der warmen Bettdecke schlafen. Drobsdem ist es in der Nacht manchmal kalt. Dafür ist der Schlafsack fein prima.“ Nele nickte nur müde und glücklich dazu. Aurelia betonte: „Das ist der perfekte Kompostmist! Uns ist es nicht zu warm und du musst nicht meckern, weil wir ohne Decke liegen!“ Gratuliere! Dann habe ich dieses Geschenk also eher mir als den Kindern gemacht. Und für mich war es eine wahre Weihnachtsüberraschung, dass ausgerechnet diese Schlafsäcke das Highlight im Geschenkeberg waren.

Der Papa hatte für heute morgen zum Brunch eingeladen, danach dümpelten wir entspannt durch den Tag. Es wurde gespielt, gelesen, Musik gehört und erstmals gemeinsam der Disney-Film „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ angeschaut. Endlich versteht meine Mutter, was die Kinder meinen, wenn sie „Ich lass los“ gröhlen und von sprechenden Steinen sprechen, die Menschen verheiraten wollen.

Ohne Stress standen wie durch Geisterhand am Abend alle Koffer fertig gepackt im Flur. Meine Mutter und ich dachten mehrfach an die Weihnachtsfeste meiner Kindheit zurück. Sie verliefen ähnlich: am Heiligabend gingen wir in die Christmette*, am ersten Weihnachtstag hatten wir Zeit für unsere Geschenke und die Koffer, am 2. Weihnachtstag früh ging es dann los Richtung Thuner See, Ötztal oder Tuxertal.

*Damals fuhren wir am 24. Dezember immer zu einer befreundeten Familie und gingen dort in die Christmette. Daraus entstand vorletztes Jahr auch die folgende Geschichte. Wer uns persönlich schon aus meiner Kindheit kennt, kennt sogar alle handelnden Personen.

Lustiges Baumschmücken


„Endlich wird’s wieder Weihnachten!“ rief Maria, als sie aus dem Auto sprang und den Klingelknopf drückte.


„Hey, Vorsicht, knall die Tür nicht so, das ist doch kein Panzer!“ stöhnte Günter. Seinen Opel Monza hatte er ganz neu, er wurde gehegt und gepflegt. Gleich nach der Vorstellung auf der IAA im Herbst 1977 hatte er sich entschlossen, dieses flotte Coupé zu kaufen. Nach fast einem Jahr eisernem Sparen, einem kleinen Kredit und schier unerträglich langer Lieferzeit hatte er das Auto Anfang Dezember 1979 endlich sein eigen nennen dürfen. Das gute Stück durfte unter gar keinen Umständen einen Kratzer bekommen. Es war daher selbstverständlich, dass in seinem Heiligtümchen weder gegessen noch getrunken werden durfte. Seine Frau Gertrud durfte nicht mit dem Wagen fahren, das hatte er beim Kauf vor einem halben Jahr deutlich gemacht.


Sie nahm es locker. Zum einen fuhr sie viel lieber mit ihrem kleinen flinken VW Käfer und nannte den Monza gerne abfällig „Das Monster“. Zum anderen war sie sehr geduldig und wusste, dass heute ihr großer Tag war.


Als Kurt die Tür öffnete, stürzten Carmen und Inge sofort auf ihre Freundin Maria zu. „Endlich wird’s wieder Weihnachten!“ rief diese erneut. „Ja, endlich!“ stimmten ihr die beiden Mädchen zu. „Kommt doch erst einmal alle herein, wir müssen ja erst in einer halben Stunde zur Weihnachtsmette starten“, bat Helga die Gäste ins Haus. Wie jeden Heiligabend trafen sich die beiden Familien, um in Alendorf gemeinsam zur Christmette zu gehen. Die alte Kirche von 1494 einsam auf dem Berg oberhalb des Dorfes war eben etwas ganz Besonderes, das passte zur Geburt Jesu.


Helga gab jedem eine Tasse mit dampfendem Kaffee oder Kakao in die Hand und schob jeden in den Flur Richtung Wohnzimmer. „Hier in der Küche ist es zu eng für sieben Leute, lasst es uns noch ein paar Minuten gemütlich machen, bevor wir los müssen.“ sagte sie. Als sie das Wohnzimmer betraten, schauten Günter und Gertrud in die Ecke, wo immer der Weihnachtbaum stand. Beide seufzten–- offenbar aus unterschiedlichen Gründen. Auf Gertruds Stirn zeigte sich plötzlich eine Zornesfalte, während sich Günters Gesichtszüge vollkommen entspannten.


Noch bevor die Tassen geleert waren, ergriff Kurt das Wort: „Was haltet ihr davon, wenn nur die Frauen und Mädchen in die Mette gehen. Ich habe es ‚mal wieder nicht rechtzeitig geschafft, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Dabei könnte mir Günter doch prima helfen.“


Die Frauen warfen sich vielsagende Blicke zu. Helga murmelte leise: „Alle Jahre wieder“. Gertrud drehte sich weg, damit keiner sah, dass sie nur mit Mühe ein Lachen unterdrückte. Guter Laune hüpften die drei Mädchen neben ihren Müttern her. Sie freuten sich auf das Krippenspiel. Die Mütter genossen den kurzen Spaziergang in der kalten Winterluft. Traditionell mieden sie auf dem Hinweg die Alendorfstraße. Stattdessen nahmen sie den Wanderweg neben dem Odenbach und bogen kurz vor der alten Mühle links ab. Ein Pfad führte nun hinauf zum Kalvarienberg. Zwischen den Wacholderbüschen und Kiefern fühlten sie sich dem Schauplatz der Weihnachtsgeschichte gleich viel näher, selbst mitten im Winter gaben diese Gehölze der Landschaft ein mediterranes Flair. Oben an der Kreuzigungsgruppe machen sie eine kurze Verschnaufpause und genossen die Aussicht ins Tal nach Alendorf und hinüber zur Kirche. Dann rannten die Mädchen johlend den Berg hinab von einer Kreuzwegstation zur nächsten. Jede wollte die erste an der Straße sein. Sie hatten versprochen, dort auf die Mütter zu warten.


Währenddessen holte Kurt den Karton mit Weihnachtskugeln, zwei Gläser und eine Flasche Gin ins Wohnzimmer. „Hier, Günter, probier ‚mal! Dieser Gin aus der Eifel-Destillerie Schütz ist der beste, den wir jemals getrunken haben.“ sagte er und goss die Gläser voll. „Wenn du ihn langsam auf der Zunge zergehen lässt, kannst du jede einzelne Kartoffel und jede einzelne Wacholderbeere heraus schmecken.“


Nun folgte das übliche Ritual der beiden Freunde. Jede aufgehängte Christbaumkugel wurde mit einem Glas Gin begossen. Als alle Kugeln am Baum hingen, waren Kurt und Günter bester Stimmung. Das wunderte Helga und Gertrud nicht. Ziemlich genau den gleichen Ablauf hatten sie schon in den Vorjahren erlebt. Helga wunderte sich lediglich darüber, dass Gertrud dieses Jahr gar nicht so sauer, wie in den Jahren zuvor.


Als Gertrud und Günter sich verabschiedeten, um nach Hause ins benachbarte Ripsdorf zu fahren, legte Günter mit hängendem Kopf seinen Autoschlüssel in die schon geöffnete Hand seiner herzhaft lachenden Frau. So sehr er seinen neuen Monza liebte – betrunken fuhr er niemals Auto!

aus: Weihnachtsgeschichten aus der Eifel
nach eigenen Erlebnissen aus meiner Kindheit

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