Lange hatten wir überlegt, wie wir den Montag verbringen. Immerhin war dies der Tag mit der dicksten Personaldecke. Am Ende entschieden wir uns für eine Rundtour bei Ouren. Nach der Freude von Silke und Aurelia vorgestern bei dem Grenzübertritt nach Luxemburg sollten es dieses Mal sogar drei Länder sein. Doch vor der Wanderung galt es, überhaupt den Startpunkt zu finden. Unser Navi Steffi sagte inzwischen keinen Ton mehr, Silkes iPhone auch nicht, also mussten wir nach alter Väter Sitte mit der Landkarte navigieren. Genau zu dieser Region hatte ich kein geeignetes Kartenmaterial eingepackt. Wir mussten also mit einer genau über unserem Zielort endenden Regionalkarte und einer groben Eifelkarte zurecht kommen, die kaum genauer als ein Globus ist. Beim Kartenlesen sind wir so verschieden, dass mir beim Fahren fast schwindelig wurde. Ich kenne es von klein auf nur, dass ich mich auf einer eingenordeten Karte zurechtfinden muss. Silke hingegen dreht die Karte immer in Fahrtrichtung. Und das war bei den vielen Kurven und Schlenkern auf dem Weg ins Dreiländerecke ein ganz schönes Gewuschel. Wir waren alle froh, als wir kurz nach 12 Uhr das Ziel der Fahrt erreichten und eine halbe Stunde später aufbrechen konnten.
Auf dem Parkplatz neben der Ourbrücke kaufte ich für jede von uns vier Großen in einem Geschäft für Anglerbedarf eine belgische Schokolade. Aurelia war sehr stolz, dass sie diese verteilen durfte. Im früher selbständigen Ort Peterkirchen besichtigten wir die Peterkirche und stellen einmal wieder Kerzen für die Lebenden und Toten auf, die uns am Herzen liegen.
Die Legende vom Rittersprung, an die an einem Felsen unterhalb des Ortes erinnert wurde, kam Silke sehr bekannt vor. Ich kenne die Story auch von Recherchen im Bergischen Land, auf dem Soonwaldsteig und aus anderen Ecken der Eifel. Der Ritter und seine Geliebte überleben stets den Sprung von einem hohen Fels unversehrt. Manchmal kommt deren Pferd auch unverletzt im Tal an und sie galoppieren unbehelligt weiter. Leider kommt aber oft genug der arme Gaul zu Tode. Aurelia fand die Geschichte deshalb auch sehr traurig.
Wie gut, dass sie sich schnell wieder ablenken ließ. Immerhin war sie als unser Scout dafür zuständig, die weißen Kreuze auf blauem Grund zu finden, mit denen unsere Route gekennzeichnet war.Durch ein lauschiges Bachtal ging es zunächst leicht bergauf, später wurde der Weg sehr steil, rauh und beschwerlich. Obwohl ich Cari in die Bauchtrage nahm und wir uns am Buggy abwechselten, schnauften wir alle wie alte Dampflokomotiven. Nach einem besonders heftigen Aufstieg brachen wir alle zusammen, wo wir grade standen. Meine Mutter mit den Kindern auf einer Sitzbank, Bathida darunter und Silke im Schatten. Den hölzernen Mülleimer neben der Bank nutzte ich für die Mittagswindeln, denn auf den Boden konnte ich die Minimäuse ausnahmsweise nicht legen. Dort tummelten sich ungezählte beißfreudige Waldameisen. Die sollten sich ruhig an meinen Füßen bedienen, aber nicht an den Füttchen meiner Töchter!
Nach der Pause ging der Weg etwas flacher und ebener weiter, nun wartete eine Überraschung auf Aurelia. Als Belohnung für ihren tapferen Bergaufmarsch durfte sie ein Stück in die Trage. Sie konnte ihr Glück gar nicht fassen. Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass sie dringend eine Auszeit braucht. Wir Erwachsenen waren vollkommen groggy, wie mochte es da der armen Maus gehen.
Bei manchen Wanderungen jammert sie und will schon sehr früh gefahren werden. Das ist aber eher Bequemlichkeit, Langeweile oder Eifersucht auf die kleinen Schwestern. Sie lässt sich fast immer von ihrer Schauspielerei ablenken und kann dann sogar noch rennen. Hier nun sagte sie nichts, war aber wirklich am Limit. Als sie nach einigen Minuten wieder fit war (Kinder regenerieren erstaunlich schnell!), wollte sie wieder laufen und war ganz stolz, als sie unser Grüppchen anführen durfte. Im Kindergarten ist es eine besondere Ehre, Lineleader zu sein, so also wohl auch bei Wanderungen.
Am höchsten Punkt der Tour legten wir eine längere Rast ein. Die Minimäuse vertraten sich die Beine, alle ess- und trinkbaren Vorräte wurden zu einem üppigen Picknick zusammengeworfen, Silke opferte Wasser aus ihrem Saufsack für Bathidas Faltnapf.
Ein an unsere Rastbank anschließendes kurzes Teerstück wurde zur Rennbahn für die beiden Minimäuse. Nele wollte ohnehin nicht mehr in den Buggy einsteigen, also besetzte ich unter größtem Gelächter meiner Großen ihren Platz im Buggy neu. Doch auch Cari wollte nicht sitzen. Silke entschied spontan, dass die Maus wohl weiter an ihrem Lauflernprogramm arbeiten wolle und half ihr, barfuß über den warmen Boden zu gehen.
Unten im Tal erwartete uns das Highlight unserer Wanderung: Das Dreiländereck. Zuerst waren wir etwas irritiert und enttäuscht, weil der Punkt nicht genau bestimmbar schien, dann merkten wir, dass wir in einem Gedenkpark für die Römischen Verträge standen.
200 m weiter, etwas abseits unserer Wanderstrecke, treffen die Grenzen von Luxemburg, Belgien und Deutschland genau zusammen. Leider liegt der Punkt mitten in der Our – ich hätte es ahnen können, hatte ich doch Aurelia schon mehrfach erklärt, dass Our und Sauer die Grenzflüsse in der Südeifel sind. Wir versuchten, dem Punkt so nah wie möglich zu kommen: Meine Mutter setzte sich auf die Treppe zur Brücke und bewachte den Buggy. Aurelia, Bathida und ich überquerten erst einmal die Brücke nach Deutschland und Silke lockte Bathida zurück, sodass sie den Dreiländerpunkt ganz genau erreichte. Für ein Leckerchen und Lob von Silke tut sie fast alles, sogar schwimmen! Danach wateten Silke und ich noch einmal durch den
Grenzbach von Belgien und Luxemburg so weit in die Our, wie wir uns wagten. Aurelia hätte uns gerne begleitet, dazu fehlten uns aber Mut und Wechselwäsche. Ich hätte die Trage ablegen müssen, dann wäre mein Tragling aber wach geworden. Kurz hinter dem Dreiländerpunkt bot sich dann aber eine sicherere Gelegenheit zur Abkühlung an einer Badestelle. Aurelia riss sich sofort alle Klamotten vom Leib und stürzte in das für uns knietiefe Wasser. Welch herrliche Erfrischung nach einem heißen Wandertag!
Ohne Navi ging es wieder auf abenteuerlichen Wegen mit mehreren Grenzübertritten zurück in die Ferienwohnung. Die drei Mädels schliefen tief und fest im Auto, waren aber wieder putzmunter, als wie auf den Hof fuhren. Die arme Oma wurde unter lautem Gekreische belagert, bis ich ihr zur Hilfe eilte.