3. Schuljahr, Deutschunterricht.

Wochenhausaufgabe:

1.) Erstelle ein Mindmap für eine Gruselgeschichte.
2.) Plane eine Gruselgeschichte mit Überschrift, Einleitung, Hauptteil und Schluss.
3.) Schreibe deine Gruselgeschichte.

Meine Älteste ist immer noch bekennende Nichtschreiberin. Das bedeutet nicht, dass sie diese Aufgabe nicht erledigen kann. Sie engagiert einfach eine Schreibkraft (mich) und legt los.

Nach 15 Minuten sieht das Mind Map so aus:

An Fantasie fehlt es dem Kind also nicht

Sie macht sich einen Plan: Überschrift – Einleitung (Wer erlebt etwas?, Gruselort, Gruselzeit, Gruselwetter) – Hauptteil (die Geschichte mit vielen Gruseladjektiven) – Schluss (überraschend/lustig/offen).

Ich staune. Ich kenne erwachsene Redner und Autoren, die dieses simple Grundgerüst nicht zu kennen scheinen und sich wundern, warum ihre Zuhörer/Leser ihnen nicht folgen können.

Kleine Pause, weil der Kaninchenstall gemistet wird, dann geht es weiter. Die Lady setzt sich auf meinen Schreibtisch, schlägt die Beine übereinander und beginnt mit ihrem Diktat:

Dracula und die kopflose Amanda

Dracula ist auf dem Friedhof. Es ist ganz nebelig. Bald ist es Mitternacht.

Die kopflose Amanda kommt zu Dracula und sagt: „Hallo! Kennen wir uns?“.
Dracula lächelt angsteinflößend und antwortet: „Come closer! I want to suck your blood!“
Die kopflose Amanda wirkt noch etwas kopfloser und antwortet: „Je ne parle pas Anglais.“

Jetzt ist Dracula verwirrt. Er weiß nicht, was er antworten soll, also murmelt er: „Gracias! Obrigado! Grazie! Diolch! Bedankt!“ und fliegt hungrig zurück in sein Schloss.

Aurelia, 3. Schuljahr, Februar 2020

Nur bei einem Satz korrigiert sie mich und muss nachfragen, wie „Danke“ in Portugiesisch gesagt wird. Sie hatte in Erinnerung, dass es da etwas zu beachten gab, wusste aber nicht mehr, dass es die Endung war.

Mit meinem „Stenoblock“ stolziert sie zur Oma und bittet sie, die Geschichte laut vorzulesen. „Oma und die Kleinen finden die Geschichte toll, also kann sie in Druck gehen“, erklärt sie mir, legt den Block vor mich hin und bittet mich, meine unleserliche Schreibschrift in Druckschrift umzuschreiben.

So.

Jetzt seid ihr dran:

Ärgere ich mich über so viel Faulheit beim Schreiben? Suche ich den Schwachpunkt bei mir, weil ich es gar nicht so weit hätte kommen lassen dürfen? Zwinge ich sie sofort dazu, die Geschichte handschriftlich abzuschreiben? Oder noch schlimmer: diktiere ich ihr die Geschichte?

Oder freue ich mich über die niedliche kleine Gruselgeschichte? Genieße ich einen Hausaufgabentag ohne Anspannung? Gebe ich ihr auf dem weiteren Weg der Besserung noch ein oder zwei Tage Zeit, selbst auf die Idee zu kommen, dass sie diese Aufgabe ja handschriftlich einreichen sollte?

Oder bin ich sogar frech genug, die fertige Geschichte per Mail an die Deutschlehrerin zu senden, weil das Ziel der Aufgabe ja eher in der Arbeitsorganisation als in der Rechtschreibung zu liegen scheint?

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