Manchmal beneide ich Einzelkindmütter mit fürsorglichem Kindsvater.

Sie sind flexibler, sicherheitsbewusster und haben viel mehr Zeit für die Sorge um ihre Kinder.

Dazu ein kleines Beispiel von heute:

Aurelia freute sich seit etlichen Wochen auf die Geburtstagsfeier einer guten Freundin. Es sollte eine spannende Exkursion durch den Kölner Grüngürtel geben. Eine tolle Idee. Ich freute mich auch schon darauf, denn der Weg war kurz und das Programm schien mir gut durchdacht. Bei so hohen Temperaturen fahre ich tagsüber nicht gerne lange Auto, besonders mit all den Medikamenten, die ich immer noch nehmen muss.

Morgens kreierte Aurelia noch drei spezielle Seifen für das Geburtstagskind. In das Basteln der Geburtstagskarte platzte die WhatsApp der Mutter, der Geburtstag finde nun doch nicht im Grüngürtel statt, sondern im Bubenheimer Spieleland. Es gebe eine Gewitterwarnung, das sei ihr zu gefährlich mit den Kindern im Park. Oha, darüber hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht. Würde ich wahrscheinlich nicht einmal, wenn ich eine solche Feier ausrichten würde. Ich würde vermutlich nur darum bitten, den Kindern wetterfeste Bekleidung und Gummistiefel mitzugeben, damit wir sie wasserfest einpacken können, wenn es wirklich losregnet. Und bei Blitz und Donner würde ich mir die Kinder schnappen und Schutz in einer Hütte oder dem Restaurant am Startpunkt suchen.

Okay, also Hüpfburg statt Waldabenteuer. Schade um die viele Arbeit, die in der Vorbereitung steckte. Wäre bestimmt sehr schön geworden.

Die Mutter des Geburtstagskindes bot mir an, Aurelia mitzunehmen, wenn ich ihr einen Kindersitz mitgebe. Dafür war ich sehr dankbar, denn in der Hitze des Mittags und frühen Abends waren mir 46 km je Strecke (also viermal: Hinbringen, nach Hause, Abholen, nach Hause) eigentlich zu viel. Außerdem ist mein Tank leer und mir drehte sich schon wieder der Magen um bei dem Gedanken, bei diesen Temperaturen auch noch Dieseldämpfe einatmen zu müssen. Ich bin eben erst rekonvaleszent und noch nicht gesund.

Um so größer der Schock eine halbe Stunde vor der Abholzeit: Aurelia konnte nun doch nicht mitgenommen werden, weil das Geburtstagskindmamaauto hinten nur zwei Sitze hat. Ihr Mann erlaubte nicht, dass ein Kind vorne auf dem Beifahrersitz mitfährt. Aha. Und jetzt? Keine Ahnung, jedenfalls konnte sie Aurelia nicht mitnehmen. Weder mein Hinweis, dass Aurelia auch bei mir vorne mitfährt und das auch erlaubt ist, half nichts. Er beharrte darauf, dass Kinder erst ab 12 Jahre vorne fahren dürfen und seine Versicherung das bei Kindern unter 12 Jahren nicht abdeckt.

Welche Schwierigkeiten das bei einer dreifachen Mutter aufwirft, die sich auf die Abholzusage verlassen hatte und nicht einfach den Vater schicken kann, wenn sie selbst nur bedingt fahrtauglich ist, war den Geburtstagskindeltern garantiert nicht bewusst. Er würde auch einfach nur sagen, dass Aurelia dann eben nicht zum Geburtstag fahren kann, selbst wenn er hier wäre.

Aurelia sagen zu müssen, dass sie nun doch nicht zur Geburtstagfeier gehen darf, hätte ich nicht übers Herz gebracht. Sie freute sich schon so lange darauf und hatte sich mit dem Geschenk so viel Mühe gegeben. Also riss ich mich zusammen, schwatzte meiner Mutter das Auto ab und brachte das Kind zur Feier. Der geliehene Wagen erwies sich als Idiot, denn kaum fuhr ich vom Parkplatz, leuchtete die Benzinwarnlampe auf und ich musste dann doch tanken. Nun wurde mir allerdings nicht – wie ursprünglich befürchtet – von Diesel, sonder von Super so übel, dass ich erst einmal einen leeren Windelbeutel zweckentfremden musste.

Wieder daheim, löste ich meine Mutter bei der Badeaufsicht am Plantschbecken ab. In 500 m Luftlinie vom Grüngürtel und bei strahlend blauem und wolkenlosem Himmel wartete ich den ganzen Nachmittag und Abend vergeblich auf das angekündigte Gewitter. Das blieb natürlich aus, kein Tropfen fiel, sodass meine Mutter und ich sogar noch über eine halbe Stunde mit Blumengießen beschäftigt waren. Die Viereinhalb Tropfen, die hier am späten Vormittag herunter gekommen waren, hatten den Boden nicht einmal angefeuchtet.

Nein, ich jammere nicht. Meine Tochter lebt und ist gesund. Sie wurde nicht vom Blitz getroffen und nicht vom Beifahrerairbag erschlagen. Sie hatte einen wundervollen Partynachmittag in einem Spielpark, den sie noch nicht kannte.

Alles gut.

Irgendwie hat es ja dann doch geklappt.

Aber eher zufällig.

 

Epilog:

Tochter Nummer 2 füttert mich mit kleinen Häppchen Rindsroulade von Omas Teller, während Tochter 3 singend vor mir steht und mich jedes ‚Mal beim Luftholen küsst.

Nein, ich beneide keine Einzelkindmutter. Drei ist die göttliche Zahl!

(Irgendwie bin ich fast sicher, dass meine Tochter 1 den Tag auch überlebt hätte, wenn die im Park gespielt oder auf dem Beifahrersitz gesessen hätte…)

6 thoughts on “Einzelkindmütter

  1. Ich bin zwar ein Einzelkind, frage mich aber immer öfter, warum wir eigentlich unsere Kindheit überlebt haben. Ohne Kindersitz, ohne Mama-Taxi, den ganzen Tag im Königsforst verschollen und dann dreckig und zufrieden zum Abendessen wieder aufgetaucht und ohne Unwetterwarnung per What’s App.

    Ich kann hier irgendwie nicht gefällt mir drücken. Passiert nix.

    1. Schade, wie bau ich denn ein „gefällt mir“ für dich ein?

      Egal, dein Kommentar sagt mehr als ein „gefällt mir“. Danke für die Erinnerung. Ich bin auch Einzelkind und war in dem Alter schon allein mit meinen Freunden im Wald unterwegs. Waren andere Zeiten, die ich sehr genossen habe.

  2. Ich war kein Einzelkind, aber bin am Waldrand großgeworden. In den Ferien bei Oma und Opa in der Großen Stadt. Zwischendurch mal melden war Pflicht aber an sonsten war, besonders wärend der Ferien, der Sonnenuntergang unserer Zeitgeber zum „nachhausgehen“.
    Es gab für uns nichts schöneres als im Regen draußen rumzupatschen im Sommer ist es ja nur warmes Wasser.
    Beine Schwester hat ja auch 3 (mit je 2 Jahren Abstand zwar) die sind auch ohne Sonderbehandlungen groß geworden.
    Und wenn ich bedenke wie wir mal als der Schulbuss ausfiel mit 6 Gymnasiasten (also keine Kleinkinder) in einem B-Kadett ausnahmsweise mal zur Schule gefahren wurden, eingepfercht )ohne Anschnallgurte hinten (Gurtpflicht gab es derzeit nur vorne aber da saßen ja auch 2 von uns), ging auch…..

    Das was Du beschreibts sind Helikoptermütter die besten Freundinnen der Sargotanmütter.

    Sei froh das Du anders bist!!!!

  3. Tja,

    wenn ich die Texte vor mir so lese, dann zweifele ich an meiner eigenen Einstellung, die ich aber dennoch preis gebe.
    Früher, das waren andere Zeiten. Meine Kinder haben überlebt, ich denke aber in vielerlei Hinsicht eher zufällig. Sie haben oft unverschämtes Glück gehabt. Mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich dran denke.
    Früher gab es wesentlich weniger Autoverkehr, früher gab es keine Gesetze, die eine teure Haftung nach sich zogen, wenn etwas mit Leihkindern passierte (sehr zum Leidwesen mancher Geschädigter)

    In meinem Fahrzeug ist ein Kindersitz auf dem Beifahrersitz verboten, wie bei vielen Fahrzeugen (Thema Haftung) Mit angekündigtem Gewitter macht ein Ausflug mit etlichen Fremdkindern nicht so viel Spaß, Plan B zu haben finde ich echt besser, als ein verpatzter Spielenachmittag und der Mutter ging es ja um Gewitter und nicht um ein wenig Regen. Gewitter waren über den gesamten Tag verteilt angekündigt, also wenn die dann nicht kommen, kann die Mutter nüscht dafür.

    Heute mit damals vergleichen hat grundsätzlich nicht hin, die Voraussetzungen ändern sich viel zu sehr. Ich empfinde diese Mutter (immer in Unkenntnis der Person in anderer Hinsicht, nicht als Helimutter.

    Ein Leben lang an Selbstvorwürfen und den Kosten eventueller Haftungsansprüche zu knabbern wäre für mich schlimmer, als ein reduziertes Abenteuererleben.

    Liebe Grüße
    Elke

  4. Wie schön, dass wir uns hier offen die Meinung sagen können. Danke, Elke, dass du dir nicht im Stillen nur etwas dazu denkst, sondern es auch offen aussprichst.

    Ja, früher war alles anders, weniger Autos, geringere Geschwindigkeiten,… Mir wird manchmal ganz flau, wenn ich denke, wie viel Glück wir gehabt haben müssen. Wir wurden über Tausende von Kilometern unangeschnallt transportiert. Die Erwachsenen in meiner Umgebung haben sich kaputt gelacht, wenn ich mich anschnallte, bevor es gesetzliche Pflicht wurde. Wir haben immer draußen gespielt, auch bei Gewitter. Der beste Freund meines Cousins wurde vom Blitz getroffen, aber auf dem Schulweg, nicht beim Spielen.

    Ich freue mich an Menschen, die so verantwortungsbewusst sind und jedes Sicherheitsrisiko ausschließen. Es kam mir privat nur eben sehr sehr ungelegen an diesem konkreten Tag, weil es das Ganze fürchterlich kompliziert machte. Hätte ich schon morgens gewusst, dass Aurelia nicht mitgenommen wird, hätte ich abgesagt. Ich habe keine Probleme mit Menschen, die fremde Kinder nur hinten oder gar nicht mitnehmen (ich selbst fahre übrigens keinen Meter, wenn nicht aller Minderjährigen im Auto korrekt angeschnallt sind). Aber eine halbe Stunde vor dem Start konnte ich ihr das nicht antun.

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