Zwar bin ich trittsicher und schwindelfrei, aber bislang hatte ich noch keine guten Erfahrungen mit Seilgärten gemacht. Das hat sich zum Glück am vergangenen Wochenende geändert. Zu verdanken habe ich es einer netten Mitarbeiterin im K1 Hochseilgarten in Odenthal-Eikamp, meiner mutigen Tochter und meiner großen Klappe.
Eigentlich hätte es gereicht, sich Informationen einzuholen und um Fotos zu bitten. Doch meine Ansprechpartnerin bot spontan an, einen der nächsten Öffnungstage zu nutzen, um den Seilgarten selbst auszuprobieren. Aurelia war Feuer und Flamme, wollte nur zu gerne selbst klettern, also sagte ich zu.
Sie durfte ihren Freund Jonas mitnehmen. Ihre Wahl war auf ihn gefallen, „weil er über ein Jahr älter und ein Junge ist. Dann traue ich mich eher in die Bäume!“ Der Weg zum Klettergarten war anstrengend, denn alle vier Kinder redeten, sangen und kreischten vor Vorfreude durcheinander – wobei ich davon ausgehe, dass Nele und Cari nur aus Freude am Lärmen mitmachten und gar nicht ahnten, worauf sich die Großen freuten. Vom Parkplatz führte ein steiler Weg in ein Tal und den Gegenhang hinauf. Das dämpfte den Übermut der Kinder kaum. Meine Mutter und ich waren aber froh, dass es vor Ort Sitzgelegenheiten gab, um wieder zu Atem zu kommen.
Aurelia und Jonas wurden gemessen und nach ihrem Alter gefragt, dann mit den richtigen Gurten und Helmen ausgestattet. Schon standen wir am Einstieg in einen der beiden Kinderparcours und ich erklärte den beiden, dass die Holztische um die Bäume herum „Plattform“ genannt werden. Die Schwebebalken, Seile, Netze, Brücken und anderen Hindernisse zwischen den Plattformen sind „Elemente“. Prima, beide nickten, es konnte los gehen.
Oder auch nicht.
Jonas, der frechste Lümmel, den ich kenne, schaute so ängstlich aus der Wäsche, dass ich ihn erst einmal in den Arm nehmen musste. „Ingrid,“ murmelte er, „ich möchte doch gar nicht klettern. Da hat meine Mama wohl etwas falsch verstanden, als sie dir geschrieben hat, dass ich mitkommen möchte!“ – „Aha“ – „Muss ich?“ – „Nein, natürlich nicht. Dann schau zu und mach Fotos von Aurelia!“ – „Mach ich!“
Aurelia stand schon auf der ersten Plattform und wartete auf ihn. Sie hatte auch weiche Knie, aber wollte es zumindest versuchen. Nachdem ich sie in die durchlaufende Sicherung eingefädelt hatte, ging sie bei einigen Elementen sehr sicher voran, musste bei anderen ermutigt oder überredet werden, an einer Stelle auch am Po gestützt. Aber am Ende jauchzte sie vor Freude und Stolz, als sie mit der Seilrutsche zum Boden zurück schwebte. Meine mutige Maus!
Währenddessen hatten meine Mutter und ein Trainer größte Not, Nele immer wieder von der nassen, glitschigen Startplattform herunter zu klauben, denn die mutigste von uns allen wollte ungesichert durch den Kinderparcours laufen. Leider wehrte sie sich gegen einen Gurt, ansonsten hätte sie tatsächlich schon klettern dürfen und sicherlich viel Spaß hier oben gehabt.
Als Aurelia wieder unten war, konnten wir Nele endlich bequatschen, mit ihr auf den Spielplatz zu gehen. Das gefällt mir sehr gut bei K1: Auch für die Wartenden ist gesorgt. Mir Spielplatz, Slacklines, Imbiss und Liegestühlen ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Jonas hatte nun bei Aurelia gesehen, dass der Parcours machbar ist, traute sich aber immer noch nicht so richtig. „Mensch Jonas,“ sagte ich, „du bist doch viel sportlicher als ich. Wenn ich in den großen Parcours gehe, kletterst du Aurelias Runde, abgemacht?!“ – „Abgemacht!“ nuschelte er und schon hatte ich ein Problem. Nun musste ich tatsächlich hinauf.
Für die hohen Parcours benötigt man eine lange Einweisung und eine Runde auf dem Übungsparcours. Dann gab es kein Entrinnen mehr. Ein „Mama, du schaffst das!“ und zwei „Tsüss, Mama!“ begleiteten mich die Leiter hoch. Dort war ich dann auch mich allein gestellt und war überrascht, dass es mir sogar gefiel. Das mache ich bestimmt noch einmal. Aber für heute reichte mir eine große Runde, die Knie waren weich, die Armmuskeln schmerzten. Unterhalb der Absprung-Plattform für die Seilrutsche warteten Jonas und Aurelia auf mich. Sie riefen mir zu, dass diese Seilrutsche Flying Fox heißt und dass ich springen soll, wenn sie bis drei gezählt haben. Okay, dann musste ich mir wenigstens keine Gedanken machen, wann der richtige Zeitpunkt zum Absprung sein könnte. Zufrieden und glücklich flog ich mit dem Flying Fox dem Boden entgegen. Für einen zweiten Parcours hätte zwar noch die Zeit gereicht, aber dann hätte meine Kraft auf dem Weg zurück zum Auto wahrscheinlich nicht mehr gereicht, um den Zwillingsbuggy sicher das Tal hinab und hinauf zu schieben.
Jonas wollte nun auch nicht vertragsbrüchig mit mir werden, nahm allen Mut zusammen und wagte eine eigene Runde. Angefeuert von ihren Rufen und Tipps, gestützt und gezogen vom Trainer und mir, schaffte er die Runde und wunderte sich selbst über das Glücksgefühl, das am Ende in ihm aufkam.
Aurelia lief noch einen zweiten Durchgang im Kinderparcours, Jonas war durch nichts mehr zu bewegen. „Für heute hatte ich genug Sport!“, konstatierte er.
Perfekt, wir alle sind bis an unsere Grenzen gegangen, konnten sie aber auch benennen und dann aufhören.
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