Tür 14 gehört zu meinem Mantakeller.
„Zu deinem WAAAAS?“ werdet ihr jetzt fragen. Ja, dieser Kellerraum heißt Mantakeller, denn wir haben ihn tiefer gelegt. Wir wohnen ja in einem Siedlungshaus, das 1952, das nach Plänen aus den 1930er Jahren gebaut wurde. Alle Mitglieder der Siedlergemeinschaft bauten gemeinsam, jeder übernahm an allen Häusern das Gewerk, das er am besten konnte. Wer nichts bauhandwerkliches gelernt hatte, half beim Ausschachten der Baugruben.
Nach dem Krieg sparte man an vielem, also auch an der Deckenhöhe im Keller, denn jeder eingesparte Zentimeter bedeutet ja tieferes Graben. Das war anstrengend und gefährlich, denn überall waren Bombentrichter. Der Boden war also sehr unterschiedlich verfestigt und schwierig zu handhaben bei den Ausschachtungsarbeiten. Mein Vater kam ja 1968 ums Leben, weil er in unserem Hof beim Ausheben einer Grube für die Abwasserleitung von nachrutschendem Erdreich erstickt wurde.
Er hatte vor seinem Tod noch den Traum, im Keller einen Partyraum einzurichten und hob diesen Keller noch 40 cm tiefer aus. Nach seinem Plan konnten die Gäste zwar leicht gebückt die Treppe hinab und durch den Kellerflur laufen, sollten dann aber aufrecht stehend dort feiern können. Um die Statik nicht zu gefährden, ließ er rundherum einen Teil stehen, der dann als Sitzbank dienen sollte. Leider kam es nicht so weit. Seiner Witwe war nicht nach Feiern, also bliebt dieser Raum unvollendet. Die Zeiten verrauchter Partyräume sind ja auch schon lange Geschichte. Wir nutzen diesen Raum nun als Lager für Saisonales und Sentimentales. Umzugskartons mit Deko, Verkleidungen und Krimskrams für Karneval, Ostern, Sommer, Herbst, Halloween, Sankt Martin, Advent und Weihnachten lagern dort. Aber auch der Teil meiner vor etlichen Jahren sehr umfangreichen Sammlung von Gesellschaftsspielen, von dem ich mich immer noch nicht trennen kann. Hier lagern unsere Koffer und Rucksäcke, Ski uns Schlitten, Buggyersatzteile, Fotoalben, LPs, Bastelmaterial,… in breiten Regalen.
An der Wand hängen Urkunden vom Schulsportabzeichen, meiner ersten Ersteigung des Snowdon und viele mehr, die mir wichtig sind, wie mein Bubblemaker-Diplom, mit dem ich meine Angst vor dem Tauchen verlor.
Auf der Tür klebt oben ein Aufkleber, den ich jahrelang in meinem Auto kleben hatte. Wenn ich in Wales unterwegs war, nahm ich jeden Tramper mit, für den ich Platz im Auto fand, weil ich dort auch schon oft als Hitchhikerin mitgenommen worden war. Mir war jeder Mitfahrer lieb – so lange er nicht rauchte. Und die Sprache meiner freundlichen Bitte auf dem Aufkleber bot sofort den perfekten Einstieg in ein Gespräch. Entweder es war ein Waliser, der sich ein Loch in den Bauch freute, dass ich seine Muttersprache mag. Oder es war ein Engländer, der durch diesen Aufkleber sofort wusste, wo bei mir der Hammer hängt und der sich wunderte, dass eine Deutsche sich für Walisisch interessiert, obwohl doch jeder in Wales auch Englisch versteht und spricht.
Das Windowcolorbild auf der Türscheibe stammt aus Zeiten, in denen ich im Katastrophenschutz aktiv war. In dieser Zeit lagerten in diesem Keller all meine Ausrüstungsgegenstände. Angefangen vom Sanitätsrucksack über Lehrbücher, Betreuungsdienstmaterial, Werbegeschenke, Ablaufpläne bis hin zu zwei fertig gepackten Seesäcken mit (1) Ausrüstung für einen Auslandsaufenthalt und (2) Katastrophenschutzausrüstung einschließlich Helm und Atemschutzmaske.
Diese Zeit im Ehrenamt hat mich stark geprägt, egal ob Sanitätsdienst, Betreuungsdienst, Technischer Dienst, Ausbilderin, Führungskraft, psychische Erste Hilfe oder Blutspendedient. Besonders geliebt habe ich den Katastrophenschutz. Wir übten unter freien Himmel Szenarien, die zum Glück nie eintrafen. Ich wusste, wie eine Zwangsimpfung im Falle einer von Terroristen ins Land getragenen Pocken- oder Pest-Epidemie rasch umgesetzt werden konnte. Wir machten aus dem dreckigsten Rheinwasser trinkbares Reinwasser und trauerten um einen lieben Kollegen, der bei einem Trinkwasseraufbereitungs-Einsatz in Afrika an Malaria starb.
Vielleicht bin ich auch etwas traumatisiert worden bei all diesen Einsätzen, denn ich habe viele unverdrängbare wiederkehrende Bilder im Kopf. Wann immer von Rumänien die Rede ist, sehe ich mich nach den Vorfällen in Timișoara Mitte Dezember 1989 am Heiligabend die Koffer für einen Auslandseinsatz packen. Gehe ich durch die Kölner Altstadt, denke ich an das Hochwasser 1995, als wir mit den Booten der Wasserwacht durch die Altstadtgassen tuckerten. Ich sehe in jedem Pitbull Terrier den quirligen Rettungshund aus der Rettungshundestaffel, der nach Ächtung als Listenhund nicht mehr retten durfte. Ich kann nicht am Rastplatz Bedburger Land vorbei fahren, ohne an unseren Rettungseinsatz 2004 zu denken, als ein Busfahrer hinter seinem Lenkrad zusammenbrach. Ein Lehrer in Aurelias Schule sieht dem Busfahrer zum verwechseln ähnlich, dem wir 2006 sagen mussten, dass der Ersatzbusfahrer und ein Schüler den Unfall zweier englischer Busse nicht überlebt haben. Sehe ich Autan im Supermarktregal, denke ich an unseren Einsatz als Kriseninterventionsteam im heißen Sommer 2002, als uns die Mücken beim Elbehochwasser das Leben zur Hölle machten und über jedes Repellent unter DEET nur müde ihre Mundwinkel hoben, bevor sie zustachen.
Inzwischen liegt selbst mein letzter popeliger Erste Hilfe Lehrgang viel zu lange zurück. Meine Kraft würde wahrscheinlich nicht mehr reichen, um den Motor eines Notstromaggregates anzuziehen. Ich helfe ganz selten noch bei der Blutspende, denn für diese Zeit müsste ich ja für die drei Mädels einen Babysitter bezahlen. Aber ich konnte in der vergangenen Woche einem mit Aurelia befreundeten Jungen den Gebrauch einer Farmerhammerzange erklären und ihn zum Staunen bringen, als ich den Schraubenschlüssel an den Kreuzschlitzschraubendreher ansetzte, um mit mehr Kraft zu drehen. Wisst ihr, wie das geht? Sonst zeig ich es euch.
Kreuzschlitz mit Schraubendreher klingt logisch. Hätte ich mal während der 20 Jahre in Hamburg wissen sollen, als ich die Knarrenkästen meines Vaters sehnsüchtig vermisst habe.
Ehrenamt ist was feines, obwohl manches „Ehrenamt“ ein Jobkiller ist.
Ehrenamtlich habe ich für den ADFC und den Nabu gearbeitet. Das wahrscheinlich feinste Ehrenamt waren die zwei Monate auf Holnis. Kann ich jedem empfehlen, der gerade etwas desorientiert ist oder eine Auszeit braucht.
Momentan beschränkt sich Ehrenamt bei mir auf Stimmen zählen bei der Wahl. Das ist eine undankbare Aufgabe, wenn man von gewissen „Bürgern“ dann zu hören bekommt, die Wahlen wären ja sowieso manipuliert.
Oh ja, zeig mal den Trick mit dem Schraubendreher. (Du bist übrigens die einzige Frau, die ich kenne, die Schrauben dreht, alle anderen und die meisten Männer ziehen sie ja)
Haha, ich lach mich tot! Ein Mantakeller! Ich beneide dich um deine Phantasie und deinen Wortwitz.