So nannte einmal eine Kommilitonin die Trauer um einen Menschen, den man gar nicht persönlich kennen gelernt hatte. Irgendwie passend. Da trauert man um einen Menschen, den man nur aus der Ferne kannte. Kaum vorstellbar, dass man solche Emotionen aufbauen kann.
Ich habe dies in meinem Leben dreimal kennengelernt. Einmal beim Tod von Freddie Mercury vor mehr als einem Vierteljahrhundert. Dann vor einigen Jahren, als mein indisches Patenkind starb.
Das dritte Mal in diesem Frühjahr beim Tod von Stephen Hawking.
Daran wurde ich nun erinnert, als ich an einem der letzten Tage im Advent von einer meiner Verlegerinnen einen Brief erhielt, in dem sie ihn zitierte:
Wichtiger als anzukommen, ist voller Hoffnung zu reisen. (Stephen Hawking)
Ja, da hatte er Recht. Er liegt damit nicht weit von
Der Weg ist das Ziel. (Konfuzius)
entfernt. Dennoch ist die Kernaussage eine andere. Dieses voller Hoffnung ist der Punkt.
Stephen Hawking war nicht nur einer der besten Physiker aller Zeiten, sondern auch ein höchst beeindruckender Mensch. Mit 21 Jahren hätte er sich aufgeben und den Rest seines Lebens mit seinem Schicksal hadern können. Doch er hat jeden Tag, der nach der Diagnose kam, als Bonus angesehen. Wann immer ich ihn im Fernsehen oder in der Zeitung sah, er wirkte glücklich, lebensbejahend, optimistisch und zuversichtlich auf mich.
War dies trotz oder wegen seiner schweren Krankheit und seiner düsteren Szenarien über künstliche Intelligenz und Außerirdische? Er verlachte jeden, der den Menschen oder die Erde zu wichtig nahm. Mir gefielen Bemerkungen, die das Düstere in humorvolle, sarkastische, ironische, bissige oder lakonische Formulierungen packten, wie zum Beispiel:
Wenn Aliens uns jemals besuchen sollten, denke ich, ist das Ergebnis so wie bei Christopher Columbus und seiner ersten Ankunft in Amerika – was nicht sonderlich gut für die amerikanischen Ureinwohner ausgegangen ist.
Stephen Hawking war wohl ein sehr netter Mensch, stets freundlich, herzlich und zuversichtlich. Er lebte also den von meiner Verlegerin zitierten Gedanken.
Nein, im Leben kommt es wirklich nicht auf das Ziel an, denn die Zielgerade ist ja das Sterbebett. Wichtig ist der Weg dort hin, den sollten wir voller Hoffnung gehen. Wer voller Hoffnung ist, kann nicht gleichzeitig verzagt sein, kann nicht mit seinem Schicksal hadern oder sich mit Fehlschlägen in der Vergangenheit beschäftigen.
Dieser Gedanke tat mir gut, wenn ich in diesem Jahr eine miese Diagnose nach der anderen bekam. Denn auch vollkommen gesunde Menschen müssen sterben. Ich möchte lieber voller Hoffnung durch mein Leben gehen, mit all den Wehwehchen und Erkrankungen, die mich an manchen Tagen ziemlich fertig machen, die aber im Vergleich zu Hawkings Krankheit nicht einmal der Rede wert sind.
Meine Tochter Aurelia hat im letzten Half Term das Thema Heroes and Heroines in der Schule besprochen. Sie sprachen über fiktive Comic-Helden und über reale Helden bzw. Vorbilder. Die Lehrerin zeigte ihnen einen Film über Florence Nightingale, sprach mit ihnen über Nelson Mandela und Amelia Earhart.
Ja, das waren Helden, Pioniere und Vorbilder. Ebenso wie Albert Einstein, Henry Dunant oder Galileo Galilei.
Aber als Aurelia mich nach einem realen Menschen fragte, der in ihr Thema passte, nannte ich ihr spontan Stephen Hawking. Denn er hatte nicht nur einen absolut außergewöhnlichen Intellekt, er wusste ihn auch in bester Weise zu nutzen.
Wen hättet ihr meiner Tochter als realen Helden genannt? Wie hättet ihr dies kindgerecht begründet?
Fern-Trauer kenne ich auch. Oft bei Musikern oder Schriftstellern, mit denen ich aufgewachsen bin. Sie kann sogar stärker ausfallen, als bei Familienangehörigen und ich fragte mich wieso das so ist. Wahrscheinlich ist es so, dass bei alten, schwer kranken Familienangehörigen doch eine gewisse Erleichterung mitschwingt, dass es endlich vorbei ist, die dann unmittelbar in hektische Beerdigungsvorbereitungen und Haushaltsauflösungen übergeht, scheinen die „unbekannten Vertrauten“ doch so plötzlich aus dem Leben gerissen.
Und oft stimmt das ja auch. Mein erster Fall von Fern-Trauer war John Lennon. (nein, eigentlich John F. Kennedy, aber da war ich vier Jahre alt und es war mehr ein Schock) Der letzte John Wetton: Der Sänger hier https://www.youtube.com/watch?v=0VkHLh3imaE Gerade weil sein Tod nicht durch alle Medien gegangen ist und ich es erst nachträglich so nebenbei erfahren habe. Mit dem lapidaren RIP John Wetton unter dem Video.
Zu Helden muss ich mal überlegen. Ich neige nicht zu Heldenverehrung, aber Stephen Hawking ist schon mal eine gute Vorlage.
Genau das wird es sein. Nur weil man mit jemandem verwandt ist, heißt es ja auch nicht, dass derjenige dein Herz berührt hat. Das kann wirklich ein John sein, egal ob nun John F. Kennedy, John Lennon oder John Wetton.
Hast du auch über Nichtjohns getrauert *duckundweg*
Mir fiel da als allererstes und spontan beim lesen eine Freundin ein:
Sie ist wahrlich kein Übermensch, aber sie ist unermüdlich für Natur und Umwelt unterwegs:
– hat in gut einem Jahr ihr ganzes Leben in diese Richtung umgekrempelt, von Ernährung über ihren Garten, Solarenergie und -tankstelle am Haus,
– ist bei NABU, Naturgarten e.V., Solawi undundund aktiv (und wirklich AKTIV, nicht etwa nur Zahlefrau)
– eröffnet bald einen Unverpackt-Laden
– schreibt unermüdlich gut recherchierte Leserbriefe, Anregungen, Kritik an Zeitschriften, Institutionen, auch Geschäfte uÄ
und. Und. Und.
Kindgerecht erklären könnte ich das nicht, aber ich bewundere ihre Konfliktfähigkeit und Konsequenz, denn sie macht sich damit wahrlich nicht nur Freunde und scheut sich auch nicht, Anzeige zu erstatten, wenn sie im Umfeld strafbares (wie zB Baumfrevel oder Roundup-Einsatz in Privatgelände) wahrnimmt.
Ups – aber zum Glück lebt meine reale Heldin noch (den Ausgangspunkt Deines Artikels hatte ich ein wenig aus den Augen verloren, scheint mir *gg*)
Nee, alles gut, ich habe dich ja selbst vom Ursprungsthema weggeschrieben
🙂