Für knapp eine Woche haben wir Familienzuwachs.
Ein freundliches grünes Monster mit dem ungewöhnlichen Namen „Wir“ kam gestern Nachmittag mit Aurelia aus der Schule. Es hat lustige Ringelsocken an und sieht eindeutig handgenäht aus. Wo andere Tiere und Monster Haare haben, trägt es Blümchen. Und unter den Arm hatte es eine ebenso grüne Kladde geklemmt. Sein Tagebuch!
Aurelia erklärte mir, dass ihr das Wir in der Deutschstunde zugelaufen ist und sie sich nun bis zum kommenden Montag um es kümmern muss. Das macht sie vorbildlich: Bei der Autofahrt bekam es einen eigenen Kindersitz und wurde angeschnallt, Cari verließ beim Abendessen freiwillig zu seinen Gunsten ihren Hochstuhl und es durfte sich sogar eine unserer Gästezahnbürsten aussuchen. Geschlafen hat es natürlich in Aurelias Bett, es ist zum Glück leise und schnarcht nicht.
In die Schule will es erst wieder am Montag. Bis dahin bringt es Aurelia zwar zur Schule, ich habe dann aber den Auftrag, es in ihr Zimmer zu bringen, dort soll es mit dem Sorgenfresser quatschen, seinem neuen Monsterfreund.
Ich konnte noch nicht herausfinden, ob das Wir zu faul, zu ungebildet oder zu überheblich ist, um selbst Tagebuch zu führen. In jedem Fall lässt das Wir immer dasjenige Kinder, bei dem es sich eingenistet hat, für sich schreiben.
Es hat seine Reise gerade erst begonnen, erst ein Kind hatte von ihm Besuch, bevor es zu Aurelia kam. Die Latte hängt trotzdem hoch für Aurelia, denn Millis Tagebucheintrag umfasst drei Gemälde und fünf Textseiten. Gestern hat sie entsprechend sofort mit einer Seite Text und einem Gemälde begonnen. Naja, die Seite ist nicht ganz voll geworden, dafür hatte sie aber sofort eine Lösung: „Mama, mach ein paar Fotos, die drucke ich dann aus und klebe sie ein!“ Tja, wer faul ist, darf nicht doof sein!
Diese nette kleine Idee der Deutschlehrerin hat einen ernsteren Hintergrund: Im Deutschkurs sitzen andere Kinder zusammen als in den restlichen Fächern, weil Muttersprachler, fortgeschrittene Fremdsprachler und Anfänger getrennt unterrichtet werden. Für die insgesamt fünf verschiedenen Deutschkurse werden die Kinder aus den drei Parallelklassen neu gemischt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie sich nicht ganz so gut kennen und nicht das vertraute Wir-Gefühl haben, das sie aus ihrer Klasse haben.
Die Kinder vertrauen (noch) nicht darauf, dass die Lehrerin von jedem das Gleiche erwartet (nämlich sein/ihr Bestes zu geben), sondern verbringen viel Zeit mit Vergleichen à la „Julius liest schon Level 9, warum muss ich immer noch die doofen Level 7 Bücher lesen?“. Die Jungs machen vor den Mädchen der Parallelklassen den Clown, die Mädchen kichern darüber und über 100 andere Themen.
Hier kommt nun das kleine grüne Wir ins Spiel und berichtet in seinem Tagebuch jede Woche von seinen Erlebnissen mit einem der Kinder. Vielleicht macht es damit ja bis zum Ende des Schuljahrs aus
WirZebras – IhrGiraffes, WirMonkeys – IhrZebras und vielleicht auch aus WirMädchen – IhrJungen ein WirAlle. Zu wünschen wäre es.
Hört sich ähnlich an wie das „ich-bin-ich“
Wer ist denn das?
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_kleine_Ich-bin-ich
Und wieder einmal hast du mich auf eine meiner Bildungslücken aufmerksam gemacht 🙁
Bei mir ist es auch nur Sekundärwissen. Die Mutter von Schulfreunden hatte (mittleriweile eine gute Freundin meiner Mutter), nachdem die Kinder in die Schule gingen wieder angefangen zu studieren und ein Lehramtsstudium absolviert. Als es dann dazu kam, dass sie ihre Examensarbeit erstellen musste und meine Schwester hatte sich bereit erklärt, da sie gerade einen Schreibmaschinenkurs absolviert hatte und in Übung bleiben wollte, diese für sie abzutippen. So lernten wir das ICH mitte der 80ger kennen,