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Kennt ihr die Sorte Bücher, bei denen ihr eure Emotionen nicht unter Kontrolle habt? Genau das sind die Bücher, die mir wichtig sind im Leben. Ich kenne da auch keine Scham, wenn ich in einem vollbesetzten Zugabteil beim Lesen in Tränen ausbreche oder im Sommer bei offenem Autofenster bei einem guten Hörbuch kreischend loslache. Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco konnte ich vor über 20 Jahren bei meinen nächtlichen Fahrten über die Rhön gar nicht ertragen, weil ich die ganze Zeit eine eiskalte Hand auf meiner Schultern liegen spürte.

Diese Gefühle sind eher selten. Der Einheitsbrei, den die Buchhandlungen zu bieten haben, entlockt mir keine Emotionen. Anders aber das Buch „Die große Heuchelei“ von Jürgen Todenhöfer.

Im Auto von den unsagbaren Schrecken der vielen unsäglich unnötigen oder gar vergessenen Kriege dieser Welt zu hören, war mir zum Teil unerträglich. Ich kutschiere meine gesunden, unverletzten, untraumatisierten Kinder zur Schule, zu Playdates und Kindergeburtstagen und höre auf dem Rückweg von Kindern, die beim Wasserholen für die Familie von Kriegswaffen verletzt wurden.

Wer mich kennt, weiß um meine Einstellung zu den U.S.A. und deren Verbündeten. Jürgen Todenhöfer beschreibt genau das, was ich den westlichen Mächten seit den 1980iger Jahren unterstelle. Es geht bei all den vorgeblich humanitären Einsätzen gar nicht um afghanische Schulmädchen, sondern um schiere Machtdemonstration. Die U.S.A. agiert nach dem Motto ‚Akzeptierst du nicht meine Vormachtstellung in der Welt, mache ich dich fertig!‘. Da wird gelogen, getäuscht und – vor Allem – geheuchelt.

Unter dem Deckmäntelchen der Humanitären Hilfe fallen die Amis in jedes Land ein, in dem sie den Machthaber (der ihre Spielchen nicht mitspielen wollte) klein halten wollen und/oder einen geografisch zweckmäßigen neuen Stützpunkt einrichten wollen. Statt ehrlich von ’strategischen Interessen‘ zu sprechen, heißt es immer ‚unsere Werte‘ zu verteidigen. Dabei wird mit zweierlei Maß gemessen und alles so verdreht, bis es den Mächtigen in den Kram passt. Jaja, so wie auch unser Grundgesetz so lange verbogen und verschwurbelt wurde, bis sich am Ende (fast alle) unsere „Volksvertreter“ einig darüber waren, dass die Verteidigung unserer winzigen Bundesrepublik Deutschland am Hindukusch stattzufinden habe.

Fast noch interessanter empfand ich dann aber die harsche Kritik Todenhöfers an der westlichen Medienlandschaft. Er vertritt die, die Medien verkaufen westliche Werte. Er geht davon aus, dass sich die Vertreter der Leitmedien gerne im Glanz der Mächtigen sonnen und deshalb deren Verhalten nicht kritisch genug prüfen, bevor sie darüber berichten oder – noch schlimmer – sogar kriegstreiberisch formulieren.

Fazit: 

Auch wenn ich persönlich nicht alle Ansichten Todenhöfers teile, hat mich sein (Hör)Buch sehr bewegt. Das Buch ist übersichtlich in kürzere, sinnvoll betitelte Abschnitte eingeteilt, die sich sicherlich sehr gut lesen lassen. Beim Hören hatte ich mitunter Schwierigkeiten, wenn zwischen den einzelnen Reisen in die Kriegsregionen hin und her gesprungen wurde.

Diese Schwierigkeiten machten mir aber nichts aus, denn eben diese Berichte von seinen gemeinsamen Reisen mit seinem Sohn in Spannungs- und Kriegsgebiete haben mich fassungslos zurückgelassen.

Schon immer bin ich eine pazifistische Natur. Mein Vater (als 16-jähriger in Kriegsgefangenschaft gekommen) machte bei meiner Geburt ein Tänzchen mit der Hebamme und sang: „Eine Tochter, ein Mädchen, sie muss nicht in den Krieg!“ Als Gymnasiastin half ich den Jungs in der Naturfreunde-Jugendgruppe bei den Formulierungen Ihrer Kriegsdienstverweigerungen und wir machten Rollenspielen für den Prüfungsausschuss und die Prüfungskammer. Zu Zeiten, in denen ein Soldat eher ein Wehrbeamter war, lebte ich eine Weile mit einem Soldaten zusammen und wir diskutierten uns ganze Nächte lang die Köpfe heiß. Ich bin dankbar dafür, in einem Staat zu leben, in dem es keinen Krieg gibt und denke oft an Menschen in Ländern mit zum Teil schon fast vergessenen Kriegen und Bürgerkriegen. Wie weit käme die Erdbevölkerung, wenn sie ihr Geld nicht in Kriege investieren würde!

Wie viel Leid und Elend aber bis in die heutige Zeit noch tagtäglich von Krieg und Bürgerkrieg ausgeht und welche Rolle vermeintliche Gutmenschen aus dem Westen dabei spielen, macht mich traurig. So lange Bomben und Drohnen spielende Kinder verletzen und töten, muss es Menschen wie die Todenhöfers geben, die mutig genug sind, um vor Ort mit allen Konfliktparteien das Gespräch zu suchen.

Noch ein Letztes zum Hörbuch: Wer kann mir einen logischen Grund dafür nennen, dass Hörbuch und Buch verschiedene Cover haben? Der Autor trägt noch nur auf einem der Fotos einen Bart. Was will der Verlag mir damit sagen?

2 thoughts on “Traurig und fassungslos

  1. ermutlich ist das HB später entstanden und da dachte man ein aktuelleres Photo wäre gut und das war halt ohne Bart. Ich würde da nicht zuuu viel reininterpretieren

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