Wenn ich wochenlang allein auf einem Fernwanderweg unterwegs bin, begegne ich etlichen anderen Wanderern, die in der entgegengesetzten Richtung unterwegs sind. Einige allein, aber viele zu zweit oder in Gruppen.
Während einer dem anderen Platz auf dem schmalen Küstenpfad macht, entsteht ein weitgehend standardisierter Mini-Dialog zwischen uns: „Thank-you“ – „You’re welcome“.
Manchmal kommt man auch über das Wetter oder Tiersichtungen ins Gespräch, aber darum geht es mir hier nicht, dazu komme ich später zurück. Was mich viel mehr fasziniert hat, waren die Gesprächsfetzen, die ich aufschnappte, bevor ein Gespräch unterbrochen wurde, weil man für mich Platz machte oder sich bei mir bedankte.
Ab dem zweiten Wandertag habe ich notiert und nun meine Notizen nach Sprachen sortiert und grob nach Themen geordnet. Mehrfache Nennungen sind mit einem + gekennzeichnet. Fällt euch etwas auf?
Englisch: sunny+, windy, foggy, mist, seamist, tide, waves, refreshing, seals+, badgerholes, sheep, ponies, wild ponies, butterflies+, bumblebees+, dragonfly, puffins, nesting, my dog+, landscape, landmark, rock+, cave, stepping stone, cliffs+, bay, beach, gate, kissing gate, stile, dogstile, swing, jump, excellent, well done+, good boy, good girl, beautiful, amazing+, epic, view+, charity, wetsuit, walking boots, after-walk-swim, beer, pubfood, apple pie, sandwiches, lunch
Deutsch: Wetter+, Tiefdruckgebiet, Regenfront, Regen, Wind, Sturm, Böen, gefährlich+, Entfernung, Kilometer noch, pünktlich+, Bus war wieder unpünktlich, Zeitplan, Tidenkalender, wackeliger Steg, Problem+, Umstände, Arbeit, Büro, Rente, Smartphone, Handy+, mobiles Internet, Empfang, Funkloch+, WLAN, WIFI, betrügt mich, unordentlich, Blasen+, Blasenpflaster, Blutblase, nasse Füße, Apotheke, Arthrose, Rheuma, Osteopath, Klinik, Sterbegeldversicherung, Sonnenbrand, Sonnenstich, Tierarzt, Jugendherberge, zu kalt, abnehmen, Fleisch, vegan, low carb, zu fettig, Kaffeeplürre, ungenießbar
Schwyzerdütsch*: pressiert, dallidalli, stotzig, Liebeli, trödälä, schnäderfressig, komood, Gnuusch
Niederländisch*: strand, zon, regen, wind, weer, zeehonden, zee, koffie, cake, handdoek
Französisch: mer, plage, rocher, baie, colline, falaise, soleil, vent, rafales, crottes de chien, allons vite, dîner, vin, mauvais café, voiture, attend!
Walisisch*: Ogof, craig, penrhyn, traeth, heicio, nofio, padlo, syrffio, coasteering, pili pala, ci, morlo, dolffin, pâl, pysgota, bwced, tywod, chwarae, hufen iâ, cwrw, egwyl, eglwys, castell, sir penfro, da iawn
*in Schweizerdeutsch, Niederländisch und Walisisch wurde noch viel mehr erzählt. Da ich diese Sprachen aber nur in minimalen Grundzügen verstehe, ist die obige Aufzählung nicht repräsentativ. Was die je zwei Wanderer in Spanisch, Polnisch, Lettisch und Schwedisch miteinander besprachen, bevor wir uns grüßten, kann ich nicht einmal erahnen.
Die Deutschsprachigen unterschieden sich in Alter und Konstitution nicht von den anderen Wanderern. Aber irgendwie waren sie gedanklich gar nicht dort auf diesem wunderschönen Küstenpfad mit vielen verschiedenen Wildtieren, hinreißenden Felsformationen und der frischen Seeluft. Sind wir wirklich so ignorant?
Ja, das fällt mir auch in den asozialen Netzwerken auf: Die Deutschen sind nur am Nörgeln und problemorientiert. Jeder strahlend schöner Sommertag wird zur Klimakatastrophe hochstilisiert, Regen aber auch und Schnee im Winter zum Schneechaos. Und wehe, es gibt nix veganes! Das ist ein Angriff auf die Volksgesundheit und das Klima!
Wann hat das eigentlich angefangen?
Beim Rudelwandern auf den Kanaren in den 90ern war es noch so, dass die Leute sich von ihren früheren Urlauben erzählt haben. Sie waren also auch nicht im hier und jetzt, aber sie schwelgten wenigstens in Erinnerungen. Das war schon früher so: In den 80ern erzählte mein Freund mir in Frankreich von Kanada.
Sonst so? Leute mit Kindern erzählten von ihren Kindern. In aller Ausführlichkeit vom Brechdurchfall des Sohnemanns.
Franzosen sind genussorientiert. Sie können stundenlang von Wein& Käse und Restaurants schwärmen. Veganer Käseersatz wird da kaum einen Markt finden.
Briten bleiben Briten. Sie kommen Dir mitten im Regenwald von Costa Rica entgegen und fragen: „Have you seen any birds?“
Also „wenn“ wir uns auf dem Weg unterhalten, geht es oft über Dinge die wir gerade sehen. Das Wetter eher selten außer es brät mir wie heute die Sonne sehr den Schädel, da jammere ich schon mal das ich die Kappe vergessen habe. Oder auf dem Kungsleden war immer wieder der unerwartete geröllige Weg ein Thema (obwohl da war ich so am kämpfen dass außer bei den Pause keine Luft für Gespräche war). Manchmal kommen auch Themen aus der Woche dran, aber dann eher wenn wir Pause machen „hatte ich Dir schon erzählt…“