Eben hatte ich es ja mit den unfreiwillig belauschten Gesprächsfetzen anderer Wanderer. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass die anderen viel mehr Freude am Wandern haben, als deutschsprachige Wanderer.
Ich kann Deutsche oft sogar schon an der Kleidung erkennen: Fjäll Räven und Jack Wolfskin. Engländer auch: Berghaus. Aber auch am unbewusst vor sich hergetragenen Gesichtsausdruck: die meisten Briten haben ein fröhliches Gesicht oder einen offenen Blick, Frankophone schauen interessiert und Deutschsprachige ernst bis übellaunig.
Kommt man dann aber ins Gespräch, preisen alle Nationalitäten in allen Sprachen die Einzigartigkeit der Landschaft und des Pfades.
Einzige Ausnahme war gleich am ersten Tag (die Inhalte sind also nicht in meine Liste der belauschten Gespräche eingeflossen) ein sächsisches Ehepaar in den Sechzigern, das mit einer einheimischen Führerin unterwegs war. Der Ehemann murrte über die Affenhitze, die ihm aufs Hirn briet und von der ihm keiner etwas gesagt habe. „Da fahr ich extra nach Wales und da ist es hier heißer als zuhause! Nüscht zu Trinken dabei, keen Schatten, null Infrastruktur!“ (das Thermometer zeigte 19 Grad an – das war an dem Tag, an dem ihr hier in Deutschland bis zu 40 Grad hattet). Außerdem war es ja wohl ein Unding, dass die walisische Wanderführerin nur Englisch mit ihnen sprach. Die Ehefrau murrte über das Farn (kitzelt an den Beinen), das Pieckzeugs (tja, dafür heißt es ja auch Stechginster), den viel zu schmalen Weg, den steilen Abstieg ins Tal, den Steg ohne Geländer und über die Wanderführerin, die viel zu schnell voraus rannte. Erst als ich ihr vorschlug, die Wanderung abzubrechen und sich an einem der Zugangswege abholen zu lassen, lenkte sie ein und ließ mich weiter laufen.
Als ich in der nächsten Bucht ankam, lief dort ein Waliser ungewöhnlich hektisch hin und her. Ich fragte ihn, ob ich helfen konnte und er fragte mich nach einer Wandergruppe, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann. Er habe sie vor zwei Stunden in der letzten Bucht abgesetzt und sie sollten schon längst hier sein. Ich beruhigte ihn und erzählte von meiner Begegnung. Seine Frau war die Wanderführerin und nach einer Knieoperation nur sehr langsam unterwegs. Seine Sorgen, dass sie sich übernommen habe, konnte ich ausräumen. Denn einer der Vorwürfe war ja, dass sie rannte. Die Strecke zwischen den beiden Buchten ist übrigens gut drei Kilometer lang.
Mein liebstes Erlebnis mit deutschsprachigen Wanderern waren zwei Schweizerinnen, die vollkommen stumm vor mir her trotteten. Sie ließen sich nicht überholen, das war auch nicht schlimm, weil ich ja für meine Notizen und Fotos ohnehin immer wieder stehen blieb. In einer Bucht entdeckten wir Seehunde und ein Strahlen ging über beide Gesichter.
Die eine begann zu pfeifen und erklärte mir, dass ein spanischer Wanderer in der letzten Jugendherberge ihr erklärt habe, dass ihm ein Waliser erklärt habe, dass Seehunde es lieben, wenn gepfiffen wird. Das war mir neu. Aber wie sie so vor sich hin pfiff, kamen tatsächlich zu den ursprünglich gesichteten drei Tieren zwei weitere hinzu.
Ich erzählte, dass mir bei unserer Bootstour erklärt worden sei, dass Seehunde sehr schlecht sehen können, und deshalb eher auf Bewegungen und Töne reagieren. Das veranlasste sie dazu, nun auch noch im Takt zu ihrem Pfeifkonzert mit den Armen zu schlagen. Ihrer Wanderfreundin war dies sehr peinlich. Mir hingegen gefiel diese Idee. Also wechselten wir uns mit Hampeln und Pfeifen ab, bis am Ende ganze 14 Seehunde in der Bucht schwammen und aufmerksam lauschten. Die Show wurde erst durch eine Gruppe Kajakfahrer beendet, die ausgerechnet in dieser Bucht ihre Lunchpause einlegen wollten.
Auwei! 3km auf ebenem Küstenpfad. Die „renne“ ich auch noch.
Damals auf Lanzarote, als wir unsere Räder über die Lava hoben, sagte der T. aus B. zu mir: „Schau mal: wenn und so viele dicke Menschen entgegen kommen, ist bestimmt der nächste Parkplatz nicht weit.“
Ein Konzert für Seehunde. Wie cool ist das denn? Waren die Mädels mit?
Auwei! 3km auf ebenem Küstenpfad. Die „renne“ ich auch noch.
Damals auf Lanzarote, als wir unsere Räder über die Lava hoben, sagte der T. aus B. zu mir: „Schau mal: wenn und so viele dicke Menschen entgegen kommen, ist bestimmt der nächste Parkplatz nicht weit.“
Ein Konzert für Seehunde. Wie cool ist das denn? Waren die Mädels mit?
Hihi, geht mir immer so, wenn mir plötzlich viele unangemessen gekleidete Menschen entgegen kommen.
Leider waren bei diesem Streckenabschnitt die Mädels nicht dabei. Aber wir haben bei der Bootstour Seehunde gesehen und bei einer anderen Wanderung in einer anderen Bucht. Da haben wir dann alle gepfiffen und gehampelt, aber nur für eine geschlossene Gesellschaft von vier Seehunden. Es kam kein neuer hinzu, aber es drehte sich auch keiner von ihnen ab.
Also, da bin ich doch irgendwie typisch deutsch. Wenn LAG und ich unterwegs sind reden wir nicht unbedingt, was auch daran liegt das wir nicht das selbe Tempo haben und mit Abstand laufen. Wenn was ist, gebe ich laut (ich bin die Schnecke hinten) oder wenn er was hat, wartet er.
Da wir auf dem Kungsleden eher gegen den Strom , von Süd nach Nord, gelaufen sind, kamen uns so ab Mittag immer wieder andere Wanderer entgegen. Aber die wenigsten haben sich unterhalten. Noch weniger blieben stehen. Mehr als ein „Heij“ gab es selten, jeder wollte nur weiter auf dem steinigen und schwieigen Weg.
Ich habe da auch sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht: Alleine nehme ich viel, viel mehr wahr, was in meiner Umwelt so zu sehen ist, als wenn ich mit einer Freundin oder in einer Gruppe unterwegs bin. Dann wird geratscht und gequasselt, was das Zeug hält.
Bewegung löst die Gedanken und die Zunge und meistens trifft man sich ja erst zur Wanderung mit Freunden, die man vielleicht schon länger nicht gesehen hatte und dann hat man sich was zu erzählen – was mitunter gar nichts mit dem Wanderweg zu tun hat.
Ich würde die unterschiedlichen Wandergespräche nicht unbedingt den Nationen zuordnen, sondern der persönlichen Wandermotivation: Geht jemand wandern, weil er ein Naturerlebnis haben möchte oder sucht er eher die sportliche Erfahrung (dann spielt die Natur nur weiträumig eine Rolle) oder sucht jemand das soziale Gemeinschaftselement mit anderen Gleichgesinnten (dann ist die Umgebung völlig schnuppe).
Gut differenziert bei der Wandermotivation.
Das kenne ich auch: man hat sich lange nicht mehr gesehen und es gibt während der Wanderung eine gegenseitiges Update. Da geht es natürlich auch um überstandene Krankheiten, Schwierigkeiten im Beruf, etc.
Meine Beobachtungen sind ja auch nicht repräsentativ. Es war mir nur aufgefallen, dass in deutscher Sprache die negativen Schnipsel einen weit größeren Prozentsatz einnahmen als in den anderen Sprachen.