Kennt ihr diesen Spruch auch? Ich habe ihn in fast 30 Jahren DRK-Mitgliedschaft unendlich oft gehört und selbst gesagt. Er hat etwas Beruhigendes. Keiner ist perfekt, Fehler und Scheitern gehören zum Leben. Manchmal verdeutlichte ich den Spruch mit einer zweiten Redensart: „Lieber unperfekt starten, als perfekt warten.“

Am offensichtlichsten ist es, wenn man eine leblose Person auffindet. Wer sich denkt: „Au weia, nicht dass ich ihm/ihr bei einer Herzdruckmassage die Rippen breche oder sonst etwas falsch mache“ erreicht nur eins: Der/Die Verstorbene kommt mit intakten Rippen in den Himmel. Würde er in seiner misslichen Lage noch etwas sagen können, wäre es bestimmt: „Ja, bitte brich mir die Rippen und mach alles falsch, aber versuch wenigstens, mir das Leben zu retten. Vielleicht reicht ja der eine oder andere nicht vollkommen falsche Handgriff doch aus, um mich am Leben zu halten, bis jemand kommt, der es besser kann als du!“ (Mal abgesehen davon, dass ich mir mit einer missglückten Herzdruckmassage immerhin den Staatsanwalt vom Hals halte, der sonst wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt.) Also: Wer arbeitet, macht Fehler. Aber das ist nicht schlimm, wenn man guten Willen zeigt. Und mit etwas Glück ist das Ergebnis sogar ganz ansehnlich.

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Auch beim Umfüllen von Souvenirsand geht manchmal etwas daneben

Inzwischen wende ich diese Redensart auch gerne zuhause an.

Einige Beispiele:

Cari will mir heute morgen beim Tischdecken helfen, greift zu kurz und die Butterdose fällt zu Boden. Soll ich schimpfen? Nein! Sie wird dann bald keine Lust mehr daran haben, mir zu helfen.

Ähnliche Szene am Abend: Aurelia bietet sich an, die Gute-Nacht-Schlummermilch-Flaschen für die Zwillinge zu machen, während ich mich um die letzten Windeln des Tages kümmere. Einmal stößt sie mit dem Messlöffel gegen den Rand einer Flasche und das Pulver geht daneben. Sie schaut ganz traurig und entschuldigt sich. Nicht schlimm, passiert doch schon ‚mal.

 

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Ihr erinnert euch: Neles half Oma beim Backen. Immerhin 3 der 10 Eier blieben heile

Meine Mutter hat letzte Woche ein T-Shirt von mir „verbügelt“. Nein, ich nehme ihr Angebot nicht an, mir ein neues Shirt zu kaufen. Hätte ich ja auch selbst bügeln und versauen können. Ich bin ihr viel zu dankbar, dass sie für mich gebügelt hat.

 

Ich freue mich über jede Arbeit, die jemand versucht, auch wenn es nicht immer gelingt, denn wer arbeitet, macht eben auch Fehler.

Diese Einstellung erleichtert mir auch den Umgang mit Leserzuschriften. Aus meinen Beiträgen „Deine Reise ist nicht meine Reise“ und „Meine Reise ist nicht deine Reise“ habt ihr vielleicht noch in Erinnerung, dass ich viele, teils kuriose Leserrückmeldungen erhalte. Natürlich bin ich bemüht, jeden einzelnen Fakt im Buch korrekt aufzunehmen. In einen mehrere Hundert Seiten dicken Reiseführer wandern aber ungezählte Einzeldaten. Dabei schleichen sich dann auch Fehler ein, die weder meine Privatlektoren (Danke Silke und Mama!), noch die offizielle Lektorin, noch die Layouterin, noch ich bei der Druckfreigabe entdecken. Das ist sehr bedauerlich, wenn es ein Zahlendreher bei der Telefonnummer einer Pilgerherberge oder eine Koordinate ist. Es tut mir sehr Leid. Aber: wer arbeitet, macht Fehler.

Letzte Woche regte sich aber einer meiner Leser so sehr über einen „gravierenden Fehler“ auf, dass er mich sogar anrief. Stellt euch vor: da hatte ich doch glatt den Namen einer Straße falsch geschrieben! Nicht zu fassen! Korrekt schreibt sie sich mit zwei „ll“, ich hatte sie mit nur einem „l“ geschrieben. Wie soll der arme Mensch denn da vor Ort den Weg finden?! Ich habe mich brav entschuldigt und ihm versprochen, es in der Folgeauflage zu korrigieren.

Er beruhigte sich im Laufe des Telefonats wieder und sagte am Ende selbst „Wer arbeitet, macht Fehler“.

Eigentlich alles ganz easy, oder?

Dachte ich auch, bis mir eben in einem Streit um das Thema Arbeit ein „Ich mache keine Fehler!“ entgegenschallte.

Okay.

Also nochmal von vorne:

Wer arbeitet, macht Fehler.

Wer viel arbeitet, macht viele Fehler.

Den Satz „Ich mache keine Fehler“ konnte ich mir genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Gesagt habe ich dazu nichts. Denn: der Genießer schweigt ;o)

6 thoughts on “Wer arbeitet, macht Fehler – Wer viel arbeitet, macht viele Fehler

  1. Ich hatte den Artikel schon gestern gelesen, aber erst heute komme ich dazu eine ordentliche Antwort zu schreiben.

    Fehler…was sind denn Fehler…das liegt…meist…im Auge des Betrachters. Gut wenn was kaputtgeht ist das ärgerlich, aber in unserer Zeit meistens verschmerzbar.

    Der Mensch lernt durch sogenannte „Fehler“. Was „falsch“ ist oder „richtig“ ist ein Lernprozess.

    Wie oft hatten meine Eltern gesagt „fahr nicht freihändig“ … aber beherzigt habe ich es erst, nachdem ich heulend am Küchentisch saß und meine Mutter den Rollsplitt aus meinem Knie pulte. Dabei war es noch nichtmal der Schmerz am Knie der mich heulen liess….sondern die kaputte schöne neue Hose.

    Ich gebe zu, ich bin manchmal auch ungeduldig und wenn „Aufgaben“ nicht so erledigt werden, wie ich es tun würde oder gerne hätte und bin ich auch schon mal leicht genervt, aber ich versuche immer wieder mir genau das vor Augen zu halten.
    „Falsch und richtig liegt im Auge des Betrachters“ und „aus Fehlern lernt man am Besten“

    PS ich bin sicher das ich bei meinen Korrekturen auch schon mal ver-schlimm-bessere

  2. Nee,nee, nee, Ingrid, einfach ein ‚l‘ vergessen…nimm dir doch bitte mal ein Beispiel an deinem streitgegner, dem wäre das sicher nicht passiert! wie war das nochmal mit der recherche,die du nochmal laufen musst,da war doch was…

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