Was für ein kurioser Spruch „Kein Kind heiratet im Elternbett“ doch ist…
Vor einigen Jahren hörte ich ihn das erste Mal in der Spielgruppe von Annette Brehmer. Es ging um die Frage, ob man sein Baby ins eigene Bett mitnehmen darf und – falls ja – wie viele Wochen, Monate oder gar Jahre.
Ich hatte mir nie Gedanken darum gemacht, ein Babybett als Teil des Komplettpreis-Kinderzimmers gekauft, zusätzlich noch ein Babybay (für Nichteltern: das ist quasi ein Balkon fürs Elternbett). Nun ließ ich es auf mich ankommen.
Schnell stellte ich fest, dass Baby und Mama es am bequemsten finden, nebeneinander zu schlafen. Dann muss keiner weinen oder aufstehen, wenn es wieder Zeit für die nächste Portion Milch ist. So nahm das Leben seinen Lauf. Ich ging früh zu Bett, damit meine Tochter früh einschläft und schlief mit ihr – oft schon vor ihr – ein. Als die Zwillinge dazu kamen, wurde es eng im Bett. Wir haben aber immer noch unser gemütliches Familienbett, in dem wir alle vier gut Platz finden und abends gerne noch erzählen, lesen, raufen, singen, tanzen, toben, lamentieren, lachen, weinen – und irgendwann sogar schlafen.
Die Vorgaben von außen zu Schlafplatz und Schlafenszeit („Andere Kinder in deinem Alter gehen aber schon um 19 Uhr ins Bett“ & Co.) haben wir zu ignorieren gelernt. Wir haben einen solch unregelmäßigen Alltag zuhause und unterwegs, da würde eine starre Insbettgehzeit schnell ins Chaos führen. Schon vor einigen Monaten gab ich mich ja in meinem unerschütterlichen Optimismus der Hoffnung hin, dass sich die Schwierigkeiten, die wir Erwachsene mit dem Ein- und Durchschlafen der Kinder haben (sie selbst haben ja gar kein Problem damit!), einfach rauswachsen.
Darin bestärkt wurde ich in der Spielgruppe von unserer Spielgruppenleiterin. Wir beide haben ein ungutes Bauchgefühl, wenn Kinder zu sehr an Uhrzeiten, Regeln und Entwicklungskalendern gemessen werden. Jedes Kind entwickelt sich anders. Am Ende hat noch keines aus dem Elternbett heraus geheiratet, wie sie immer so schön sagt.
Bis zur Hochzeit will ich gar nicht denken. Ich denke, dass schon lange vor Erreichen der Volljährigkeit keinen mehr interessiert, wann meine Kinder das erste Mal durchgeschlafen und/oder allein geschlafen haben. So wie später keiner mehr damit prahlt, das seine Tochter oder sein Sohn vielleicht einen Monat früher mit Beikost begonnen hat, krabbeln/laufen/klettern/radfahren/schwimmen konnte, windelfrei war oder das erste Wort sprechen konnte.
Höre ich Müttern gleichaltriger Kinder zu, gibt es immer einige, die schneller sind als meine. Es gibt aber genauso viele, die langsamer sind. An Mein Kind kann aber schon…“-Wettbewerb nehme ich üblicherweise einfach nicht teil. Ich glaube, das ärgert manche Mütter aber auch, weil sie ja mit eigenen Augen sehen, was meine Kinder können und was nicht.
Auf ein bewusst provokant formuliertes „Aurelia kann noch nicht Fahrrad fahren – willst du ihr das nicht ‚mal bald beibringen?“ antwortete ich letzte Woche einer (mir ohnehin nicht sympathischen) Mutter ganz entspannt „Sobald dein Sohn das Seepferdchen hat!“ und lächelte. Sie rechtfertigte sich wortreich dafür, dass der Junge noch nicht schwimmen kann, obwohl er sogar ein Jahr älter ist, und ahnte nicht, wie egal mir das ist.
Eine andere Mutter prahlt ständig damit, dass ihr Großer im Alter meiner Zwillinge „aber schon viel besser gesprochen hat“. Bislang habe ich darauf noch gar nicht reagiert. Wozu auch. Ich weiß ja, dass die beiden zwar viel miteinander in ihrer Zwillingssprache sprechen, aber viel weniger mir verständliche Worte sagen können, als Aurelia in diesem Alter. Soll ich mich jetzt damit brüsten, dass Aurelia im Alter ihrer einjährigen Tochter schon mehr sprach als diese, alle drei schon liefen und im übrigen die klügsten, sportlichsten, sozialsten Kinder der Welt sind?! Nee, bestimmt nicht!
Aber ist das überhaupt wichtig? Was sollen diese blöden Prahlereien überhaupt? Was ist schlecht daran, meinen Kindern einfach für die verschiedenen Entwicklungsschritte so viel Zeit zu geben, wie sie brauchen? Entwicklungsverzögerungen übersehe ich ja trotzdem nicht, dazu ist ja das System der Kinderarzt-Kontrolluntersuchungen engmaschig genug.
Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Dieses afrikanische Sprichwort habe ich mir inzwischen im Umgang mit diesen Entwicklungsdiskussionen zu Eigen gemacht. Ich warte geduldig ab, welche Entwicklungsschritte welche meiner Mäuse wann geht.
Ihr kennt das sicherlich auch: je mehr man das Kind drängt, etwas zu tun, desto weniger will es. Es spürt die Ungeduld und bekommt es mit der Angst zu tun. Lege ich aber eine an Gleichgültigkeit grenzende Gelassenheit an den Tag, geht es plötzlich von selbst. Dazu zwei Beispiele:
Seit Aurelias 3. Geburtstag versuchen Oma, Papa und Mama, ihr das Schaukeln beizubringen. Nie hat es funktioniert, egal wie sehr ich mit ihr geübt habe, Papa mit ihr schimpfte und Oma sie damit neckte. Im Oktober setzte sie sich in Alcúdia auf eine Schaukel, bewegte die Beine vor und zurück und jubelte „Ich kanns!“ – während meine Mutter noch die Zwillinge aus dem Buggy hob. Ohne Hilfe, ohne Ansporn, einfach so. Die Zeit war einfach reif bei ihr. An den Genen oder meiner Förderung kann es nicht gelegen haben, denn Nele übt das jetzt schon fleißig, wenn keiner guckt.
Mein zweites Beispiel bringt uns zurück zum Eingangssatz: Seit Mitte März kuschelt Aurelia abends zwar noch mit uns, geht dann aber zum Schlafen in ihr Bett. Nein, nicht in ihr tolles Hochbett im eigenen Zimmer, das ist ja unter dem Dach und viel zu weit weg von allen anderen Familienmitgliedern. Sie selbst hat entschieden, dass sie ein Bett in Omas Schlafzimmer haben möchte. Dort kann sie ungestört in einer ruhigen Umgebung schlafen, wenn die Kleinen noch toben und Omas Fernseher noch läuft. Sie ist aber nicht allein, weil sie vom Bett durch die Wohnung hinüber zu Omas Sofa schauen kann. Dort schläft sie sogar die ganze Nacht durch, während sie bei uns im Bett oder mit Oma zusammen immer noch 1-2 x pro Nacht wach wurde. Eine kluge Lösung, die nur funktioniert, weil sie es selbst vorgeschlagen hat. Hätte ich es ihr vorgeschlagen, wäre es unter Garantie abgelehnt worden. Ganz optimistisch warte ich nun ab, ob dies ein Dauerzustand werden wird. Die Prognose ist gut, denn sie nistete sich sofort nach Omas Rückkehr aus dem Krankenhaus dort wieder ein.
Egal wie es kommt: Schon jetzt kann ich voller Gelassenheit davon ausgehen, dass meine älteste Tochter nicht aus meinem Bett heraus heiraten wird.
Hallo Ingrid!
Ein toller Beitrag der mich zu einigen Kommentaren/Fragen anregt.Leider zeitbedingt nicht mehr heute….;-)
Nur 2 Fragen vorab:
Ist die Oma wieder zu Hause und wie geht es ihr?
Bist du dir sicher,dass du in deinem Leben nicht noch ei Buch schreiben solltest über deine Erlebnisse bei Reisen und Recherchen,sowie das Leben mit deinen Kids?
Ich finde euren Alltag so erheiternd aufgeschrieben und jeder kurze Rückblick in deine Vergangenheit oder Anekdoten von deinen reisen machen mich neugierig….also ich würde dein Buch lesen 😉
Das waren übrigens 3 Fragen…..
Lg
Oh, mir wäre gar nicht aufgefallen, dass es drei Fragen sind. Ich hatte Mathe Leistungskurs, ich kann nicht mit Zahlen rechnen, nur mit Pfeilen und Buchstaben 😉 und das eine war ja eine Kombifrage…
Oma ist wieder zuhause, es geht ihr etwas besser, sie kämpft aber immer noch etwas mit Drehschwindel.
Ein Buchmanuskript zu meinen Erlebnissen ist in Planung, einen groben Entwurf habe ich schon. Meine liebste Privatlektorin Silke hat es mir sogar schon quer gelesen und mir die Freundschaft nicht gekündigt, es scheint also okay zu sein. Es geht darin eher um Erlebnisse und Erfahrungen bei den Recherchen vor den Kindern und jetzt. Freut mich, dass ich schon eine Leserin gefunden habe, dann weiß ich ja, für wen ich schreibe. Bei einem Buch ist es ja immer wichtig, den Leser und seine Erwartungen vor Augen zu haben. Leider wird es noch eine Weile dauern, denn die aktuellen Manuskripte gehen natürlich vor. Und das wäre auch mein erstes Buch ohne vorherigen Verlagsvertrag, dafür müsste ich auch erst einmal einen Verlag finden, was vielleicht auch eine Weile dauern könnte.
Nur kurz sehe ich zum Frühstück muss. Ich denke mit den Eltern und was die Kinder schon können, geht es weniger um die Kinder, sondern den Eltern zu zeigen dass sie „alles richtig“ gemacht haben, dass sie gute Eltern sind. Ich habe selber keine Kinder und kann das nicht wirklich beurteilen. Bezogen auf das schlafen im eigenen Bett der Kinder, weiß ich nur, dass ich mich schwertun würde, mit den Kindern im Bett und durch die damit verbundene Unruhe ordentlich schlafen zu können. Ich bin das beste Beispiel für: Schlafentzug ist Folter. Wenn ich nicht dauerhaft beim Schlafen in Ruhe gelassen werde, werde ich zickig. Ich denke dass Eltern denen es genauso geht, daher Argumente bringen: Das Kind muss im eigenen Bett schlafen.
Stimmt, es geht eher um die Eltern. Das ist fast schon ein Wettbewerb, wer die schlausten/schnellsten/bravsten/… Kinder hat – denn das sind ja dann die besten Eltern!
Bei mir ist es genau anders herum als bei dir. Mich stören sie nicht, wenn sie neben mir schlafen. Wenn sie denn schlafen! Wenn ich im eigenen Bett liege und alle paar Minuten Brille ertasten – aufstehen – durch den Flur tappen – Kind trösten/Flasche machen/zudecken/Stofftier anreichen/… – zurück torkeln – hinlegen – Brille ausziehen muss, ist mir das schier zu anstrengend.
So liebe Ingrid, nun habe ich Zeit für deinen Beitrag. Immer wieder ein hochexplosives Thema unter Eltern. Ich sitze übrigens am PC, neben mir das Babyphone und ich warte darauf, dass das Singen im Kinderzimmer der Großen aufhört (Babyphone mit Kamera ist ne geile Erfindung).
wir haben das krasse Gegenteil von dir – doch abends einen relativ festen Rhytmus mit festen Zeiten. WIR fahren gut damit, aber ich weiß natürlich, dass das von Kind zu Kind und Familie zu Familie verschieden ist. Klar, bei eurem „Lebensstil“ und euren Reisen wäre es tödlich, wenn eure Kids, so wir meine spätestens 19.30 Uhr im Bett sein müssen.
Thema Familienbett sehe ich mittlerweile auch entspannter als VOR meinen Kindern.
Beide Kinder (die Große 3 Jahre, die Kleine 2 Monate) schliefen in ihrem Beistellbett ein und kamen/ kommen im Laufe der Nacht in mein Bett rüber. Seitdem die Große 1 Jahr ist schläft sie, ausser im Krankheitsfall, in ihrem Bett.
Ein reines Familienbett käme für MICH nicht in Frage. Aber das ist MEIN Weg, jeder hat da bekanntlich seinen eigenen….
Nun aber zu meiner Frage: Schläft dein Partner auch mit im Familienbett ? Es klingt nämlich immer ehr so, als wäre euer Bett eine reine Mädels-WG. Insgesamt finde ich, dass du sehr wenig über deinen Partner schreibst (wenn du das bewusst tust ist es ok, mir brennt diese Frage nur schon lange unter den Nägeln). Hat dein Partner sein eigenes Bett?
Wie kommt er mit der Situation klar, alle 3 Kinder im Bett zu haben?
Ich möchte dir nicht zu nahe treten und wenn du meine Fragen nicht beantworten möchtest ist, es auch ok für mich.
Den Löwenanteil der Erziehung/Betreuung scheinst du ja zu übernehmen…Ist er beruflich so sehr eingespannt?
Wie kommt er damit klar, dass du immer wieder, auch mit den Kindern zu Recherchereisen unterwegs ist und er ist nicht dabei?
Zum Thema „Mein Kind kann…“könnte ich auch Romane schreiben. Scheinbar sind meine Kinder die einzigen, die nicht seit Geburt durchschlafen, um nur ein Beispiel zu nennen. 😉 Warum dieser Wettkampf? Ich finde, dass sich viele Mütter damit selber das Leben schwer machen, weil sie eine vermeintliche Messlatte höher legen, als notwendig.
Meine Tochter konnte übrigens erst mit 9 Monaten krabbeln und sitzen, lief mit 14 Monaten erst, fährt allerdings jetzt mit 3 Jahren nach 3 Tagen Üben relativ sicher Fahrrad. Wo kann ich meine Punkte hierfür abholen????
Das ein Buch von dir und über dich in Planung ist, freut mich ja sehr.
Ich finde immer die Anekdoten von deinen Reisen sehr interessant. Sowohl mit als auch ohne Kinder.
Über den Blog oder über Kidsgo bekommt man ja viel über dich/euch mit, Zusammenhänge, auch aus der Vergangenheit immer nur bruchstückenhaft und dann wenn es grad mal passt – die Geschichte von A-Z würde da schon mal helfen 😉
So, ich hoffe ich war jetzt nicht zu indiskret und neugierig und du schmeist mich jetzt nicht aus der Leserliste .
Ich wünsche euch eine angenehme Nacht im Familienbett. Im Kinderzimmer wird immer noch gesungen 😉
LG
Liebe Sabrina, schau ‚mal, hier sind deine Punkte für frühes Fahrradfahren:
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Was machst du jetzt mit den Punkten? Sparen, falls die kleine mit 5 Jahren weder Fahrrad fährt noch schwimmt?
Mir hat ‚mal jemand gesagt: „Jeder bekommt die Kinder, die ihn bis an den Rand seiner Belastbarkeit bringen, aber nicht in den Selbstmord treiben.“ Offenbar scheine ich im Lebensbereich „Schlaf“ einer Fehleingabe in diesen Kinderverteilcomputer zum Opfer gefallen zu sein. Nein, alles gut, es wird ja von Woche zu Woche, von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr besser. Der Papa kommt abends erst nach 18 Uhr von der Arbeit und geht morgens schon kurz nach 5 Uhr aus dem Haus, da ist es klar, dass die Kinder in meinen Aufgabenbereich fallen.