Tür 3 ist die Tür zum Kaninchenstall.
Ihr habt ja den Einzug von Jan und Henry und die Spielnachmittage im Freilauf verfolgt.
Meine Mutter und die Mädels sind vollkommen happy mit den Tieren. Meine Mutter hatte ja viele Jahre lang Kaninchen und ich denke, sie ist fast noch glücklicher über die Kaninchen als die Kinder.
Über diese will ich mich auch nicht beklagen. Im Gegenteil! Ich bin erstaunt, dass auch nach dem Verfliegen der ersten Neulust immer noch Interesse besteht. Kein Tag vergeht, ohne dass wir erst nach den beiden schauen müssen, bevor wir in den Tag starten. Eine der drei fordert „Kaninchen füttern“ oder „Häsen kucken!“. Nachmittags werden sie so sehr mit Futter und Zärtlichkeiten überschüttet, dass Bathida manchmal neidvoll stupst oder bellt. Sie hat dann mein volles Mitgefühl und bekommt stets einige Extrakrauler von mir.
Ich konnte schon früher mit Kaninchen nichts anfangen und mir geht es immer noch nicht anders. Ich freue mich an der Zufriedenheit meiner Mitbewohnerinnen. Ich helfe den Kindern, wenn es um das Tragen, Füttern oder Ausmisten geht. Natürlich baue ich auch einen neuen Stall auf (der alte war schon sehr morsch, als wir ihn bekamen).
Doch mir fehlt der Draht zu diesen Tieren. Sie sind mir egal, aber ich bin ihnen scheinbar nicht egal. Jan kommt immer auf mich zugehoppelt, wenn ich sie abends vom Freilauf in den Stall bringe. Henry kuschelt sich gerne an meine Hände, wenn ich Futter in den Stall lege. Aber es ist ja nicht viel mit ihnen los. Sie gehen nicht mit mir Gassi wie ein Hund. Sie spielen nicht wie eine Katze. Sie singen nicht wie ein Vogel. Sie sind nicht so spannend zu beobachten wie Wüstenrennmäuse oder Degus. Erstere hatte ich als Schülerin immer während der Ferien in Pflege, zu letzteren hätte ich Aurelia im Herbst gerne überredet. Doch sie bestand auf Kaninchen.
Ich bin wohl zu anspruchsvoll und erwarte etwas von einem Tier. Einfach da sein ist mir nicht genug. Ein solches Tier finde ich einfach nur langweilig. Tut mir Leid für euch, Jan und Henry, ich bin euch keine gute Kaninchenmama.
Dabei habe ich Kaninchen einige unvergessliche Erinnerungen zu verdanken:
- Als Kind fuhr ich mit meiner Mutter zu ihrem Bruder nach Meerane (DDR). Er züchtete Kaninchen und nahm mich mit zu den Ställen. Er ließ mich die Tierchen streicheln und auf den Arm nehmen. Ich naive 11-jährige gab einigen besonders niedlichen Exemplaren sogar Namen. Am nächsten Tag tischte meine Tante uns Kaninchenbraten auf. Ich kannte Kaninchenfleisch nicht, aber mochte schon den Geruch nicht. Mein Onkel, meine Tante, mein Cousin, meine Cousine und meine Mutter verdrehten die Augen vor Glück über solch ein leckeres Essen. Mir drehte sich der Magen um, als ich erfuhr, dass es „meine“ Anna war. Wie gut, dass ich noch nichts davon gegessen hatte. Das war der Tag, an dem ich fast Vegetarierin geworden wäre. Kaninchen mag ich immer noch nicht.
- Kurz vor der Öffnung der DDR-Grenzen fuhren mein damaliger Freund und ich zu seiner Verwandtschaft nach Rostock. Auf dem Rückweg sollten wir seinen Eltern drei gefrorene Kaninchen mitnehmen. Ich hasste den Gedanken, Lebensmittel über die Grenze zu schmuggeln und war erleichtert, als einer der Grenzbeamten bei der Kontrolle unseres Autos das Gefriergut entdeckte. „Das ist sicherlich kein Reiseproviant – sonst müsste ich Sie bitten, es auf der Stelle aufzuessen!“, scherzte er. – „Nein, das haben uns unsere Gastgeber bestimmt heimlich ins Auto gesteckt als Dankeschön für unsere Mitbringsel.“, redeten wir uns ebenso augenzwinkernd heraus. Ich bat darum, es zu konfiszieren und einem sozialen Zweck zuzuführen. Er stimmte zu und steckte die drei leicht angetauten Kaninchen in seine Sporttasche. „Ich muss ganz kurz zu meinem Vorgesetzten und einem Kollegen, ich bin sofort wieder da!“ rief er uns noch zu, dann war er weg. Durch die Scheibe des Dienstzimmers sahen wir, wie er den beiden Kollegen je ein Kaninchen abgab, alle winkten uns zu, er stempelte schnell unsere Pässe und kam wieder zurück zu uns.