Wie erklärt man Odysseum?
Der Sohn einer Bekannten brachte es vor einigen Monaten ‚mal auf den Punkt: „Das ist ein echtes Museum, weil es montags zu ist. Sonst ist es aber genau das Gegenteil von Museum, denn ich durfte alles anfassen und ausprobieren. Da hatte ich ruck-zuck ganz viel gelernt – ohne es zu merken!“
Am Dienstag waren wir dort und hatten nach 4 1/2 Stunden das Gefühl, noch lange nicht alles gesehen, ausprobiert und erlebt zu haben. Meine Recherchehelfer im Alter von 4 – 6 – 9 Jahren erwiesen sich als sehr mutig, neugierig und zäh.
Mutig
Wenn ich mutig sage, meine ich nicht wagemutig. Ich finde es sehr mutig, in einer Gruppe offen zu sagen,
- dass man eine bestimmte Kletterwand nicht hochklettern will
- dass man einen 3D-Film über Saurier nicht ansehen will, weil man Angst vor 3D-Effekten hat
- dass man sich in dem 3D-Film fürchtet und das Kino lieber sofort verlassen möchte
- dass man im Flugsimulator lieber hinten sitzen möchte
- dass man kein Astronautentraining mitmachen möchte
- dass man nicht durch den engen dunklen Tunnel krabbeln möchte
- dass man Mamas Hand braucht, wenn der künstliche Dino brüllt und sich bewegt
-
dass man zwar gerne einen Stempel in sein Urlaubstagebuch haben möchte, aber sich nicht danach zu fragen wagt
Eigene Grenzen zu erkennen, ernst zu nehmen und nach außen festzulegen ist ganz schön mutig.
Die Kinder sind mitunter später doch bewusst in die zunächst gemiedene Situation gegangen. Aber erst nach reiflicher Überlegung und längerer Beobachtung. Das finde ich ausgesprochen klug.
Dana erkannte, dass diese Dinofigur ihr gar nichts tun konnte und ging ohne Not und sogar ohne Mama auf sie zu, um sie näher anzusehen. Aurelia, die eigentlich nicht in den Tunnel wollte, hatte ihren Spaß daran, leichtfüßig (eher: leichtknieig) vor mir her zu krabbeln und sich daran zu freuen, dass sie viel schneller und wendiger war, als ich mit meinen Körpermaßen, der Kamera und der Tasche. Ben hatte ja zunächst den Astronautentrainer rundheraus abgelehnt, beobachtete aber andere Kinder und Jugendliche ganz genau, stellte sich dann in die Schlange und bat die Mitarbeiterin, anfangs nur ganz langsam eine Runde zu drehen. Als sie zusagte, dass sie jederzeit stoppen kann, stieg er ein. Aus dem „Nein, das mach ich nicht!“ wurde am Ende ein „Klasse! Mama, ich stell mich nochmal hinten an!“
Neugierig
Unsere drei kleinen Abenteurer waren kaum zu bremsen. Von einer Ausprobierstation zur nächsten flitzten sie. Wir hatten immer nur eine grobe Ahnung, wo sie sich grade befanden.
Im „Museum mit der Maus“ probierten sie aus, welche Form von Kanaldeckeln besonders praktisch ist, saßen auf einem Astronauten-WC, schauten sich einen Rauchmelder von innen an und überlegten ob Fug eine richtige Behauptung aufstellte oder Unfug erzählte. Sie wühlten im Inhalt eines Staubsaugerbeutels und sahen sich verschiedene Staubarten im Mikroskop an.
In der Themenwelt Leben lachten sie über verschiedene Nasenformen, die sie sich vor die eigene Nase halten konnten. Sie kletterten an Seilen, zu einem Baumhaus und zu einem Vogelnest, in dem eine Aufgabe für die Museumsrallye zu lösen war. Sie schwankten auf einer Hängebrücke und wagten sich in eine dunkle Röhrenrutsche. Als Hobby-Archäologen und -Paläontologen legten sie im Sand einer Ausgrabungsstätte verschiedene Skelette frei.
In der Wunderkammer stellten sie sich in ein begehbares Kaleidoskop, balancierten auf einem Seil und waren kaum aus einem schnellen Flitzer zu bekommen, bei dem die Türen nach oben aufgingen. Sie putzten riesige Zähne, rüttelten am Türknauf einer 5 m großen Tür und posierten für ein Foto zwischen Zwergen und Elfen auf Fliegenpilzen.
In der Themenwelt Erde saßen sie zu dritt im Flugsimulator und konnten bei einem Looping nur knapp verhindern, mit dem Nordturm des Kölner Doms zusammenzustoßen. Sie bestaunten verschiedene Maschinen und hatten großen Spaß bei einem Gebläse, auf dem sie einen Wasserball balancieren konnten. Bei einem Reaktionstest zeigte sich, dass Petja Rechtshänderin ist und ich Linkshänderin. Das hatten wir beide zwar schon vorher gewusst, aber staunten trotzdem. Nun zeigte sich aber, dass sich die Mädchen für viele der physikalischen Phänomene in diesem Raum (noch) nicht so sehr interessierten. Ganz lieb fragten sie, ob sie nochmal zurück in das Museum mit der Maus gehen dürfen. Aber natürlich, ihr Süßen! Ben war ja ohnehin mit seinem Astronautentraining beschäftigt – und wir drei Mütter standen fotografierend, filmend und staunend dabei.
Im Außenbereich mussten Kletterwand und Karussell ausprobiert werden, während die Mamas vollkommen ermattet auf der Bank in die Sonne blinzelten.
Zäh
Es heißt ja immer, die Konzentrationszeiten von Kindern werden von Generation zu Generation immer geringer. Das mag sein. Vielleicht fehlt oft aber auch nur eine geeignete Tätigkeit, auf die man sich konzentrieren will/soll.
Denn im Trickfilmstudio waren Dana und Aurelia so in die Produktion von insgesamt drei „Shaun das Schaf“-Filmchen und zwei „Maus“-Filmchen vertieft, dass sie kaum etwas um sich herum wahrnahmen. Sie hatten sehr schnell verstanden, dass die Figuren von Bild zu Bild nur ein kleines Stück verschoben werden dürfen und man immer rechtzeitig vor dem Fotografieren seine Hände wegnehmen muss. Natürlich mussten die Filme dann an einer weiteren Station noch mit Geräuschen und Musik abgerundet sowie mit Angaben zu Regie, Kamera und Ton versehen werden. Einzig beim Versenden als eMail benötigte Aurelia meine Hilfe. Zuhause erwarteten uns dann schon drei Links zu unseren Filmchen.
Wer nun meint, die Kinder hätten genug vom Trickfilmstudio gehabt, der irrt. Sie begannen dann auch noch damit, Elefant, Maus und Ente nachzuzeichnen und kleine Geschichten daraus zu entwickeln. Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus, wie lange und hartnäckig sich zwei so kleine Mädchen am Thema „Trickfilm selber machen“ festbeißen können.
Fazit:
Die Kinder hatten einen erlebnisreichen Tag mit ausreichend Bewegung und vielen neuen Eindrücken. Glückliche Kinder haben glückliche Mütter, also ziehe ich eine vollkommen positive Bilanz aus unserem Besuch.
Aber
Ja, ein kleines „aber“ bleibt dennoch: Uns fiel auf, wie viele Schilder überall hingen, auf denen sich die Museumsleitung für ein defektes Ausstellungsstück entschuldigte. Die meisten sahen nicht so aus, als seien sie erst gestern oder heute ausgefallen. Wir stellten uns die Frage, ob es im Museum am Geld, am Know-How oder an der Motivation fehlt, diese Dinge zu reparieren. Es gibt immer noch mehr als reichlich zu erleben im Odysseum, aber schade ist es trotzdem.
Ich fand das Odysseum auch ganz große Klasse und die nicht funktionierenden Ausstellungsstücke sind mir auch aufgefallen. Die Finanzierung von Museen ist generell ein Problem. Steuergelder wollen ja „gerecht“ verteilt werden und Kultur und Wissen auch für kleine Menschen fällt da leicht aus dem Raster.